Rezension Rezension (4/5*) zu Die Nickel Boys: Roman von Colson Whitehead.

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Himmelschreiende Ungerechtigkeit

Elwood Curtis wächst bei seiner Großmutter auf, nachdem seine Eltern sich eines Tages nach Kalifornien davonmachten. Elwood ist klug und fleißig, besonnen und ehrgeizig. Neben der Schule jobbt er in einem Tabakladen. Sein Geschichtslehrer verhilft ihm zu vorgezogenen Collegeseminaren.
Elwood lebt in Tallahassee, Florida. Es ist 1962 als er 16 Jahre alt ist. Elwood ist schwarz.
Colson Whitehead schreibt in „Die Nickel Boys“ einen aufrüttelnden Roman. Es ist die fiktive Geschichte von Elwood, die sich aber genauso zugetragen haben könnte. Es ist ein tragisches Missverständnis, dass den jungen Elwood in die Besserungsanstalt bringt. Heute würde man sagen, ein Justizirrtum, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Doch in den Südstaaten der 1960er kräht kein Hahn nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit für Schwarze. Elwood gerät unverschuldet in die Mühlen weißer Gerichtsbarkeit. Dabei ist es gar nicht mal so, dass es den weißen Jugendlichen in der Anstalt gut erginge, aber den schwarzen Jungen ergeht es nochmal um einiges schlechter. Prügelstrafen, sexueller Missbrauch, Eisenringe und Ketten erinnern an die dunkelsten Zeiten amerikanischer Geschichte. Vielleicht kann man dem Autor vorwerfen, er würde zu emotionslos oder zu distanziert erzählen. Muss ich über jede Grausamkeit detailliert Bescheid wissen. Ich finde, nein. Mittlerweile geht mein Vorstellungsvermögen, darüber, was der Mensch dem Menschen anhaben kann, ins Unermessliche. Dazu braucht es keine Details, die möchte und muss ich nicht lesen, um trotzdem erschüttert zu sein.