Rezension Rezension (4/5*) zu Die Kakerlake von Ian McEwan.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.732
2.678
49
Reversalismus

Überraschend macht er eine unglaubliche Veränderung durch und er erwacht im Bett des britischen Premierministers. Nicht nur in dessen Bett, nein, er ist der Premier. Wie ungewohnt ist dieser Körper, wie ungelenk, wie schwer. Doch flugs gewöhnt sich der sein Geist an die neue Behausung und hat kaum Probleme, der Welt gegenüber als Regierungsoberhaupt aufzutreten. Es gilt, die Idee des Reversalismus zu vertreten. Mit Überzeugungskraft und Geschick führt er seine Argumente. Das ungläubige Staunen, dass er damit bei seinen europäischen Partnern weckt, ignoriert er einfach. Der amerikanische Präsident findet ihn schließlich toll. Der Premierminister ist überzeugt von seiner Idee.

Beim Lesen des Buches möchte man es beinahe gerne als Erklärung für das Handeln in der politischen Welt, dass die Akteure in Wahrheit einer anderen Spezies angehören. Es zeugt von Forschheit und Mut des Autors, sich dem Brexit auf diese unerwartete Weise zu widmen. Obwohl es natürlich nicht explizit ausgesprochen wird, sind doch unverkennbare Parallelen zwischen dem Brexit und der Einführung des Reversalismus zu erkennen. Hier wie dort werden wider jede Vernunft, Entscheidungen herbeigeführt, die die Welt gewiss nicht besser machen. Zwar wird es ebenso gewiss weitergehen. Dennoch wünschte man vielleicht, es würde eine Pflicht zur Rechenschaft geben.

Eine Innensicht des britischen Systems aus Sicht eines Autors, der dem Brexit eher nichts abgewinnen kann. Vielleicht etwas schnell aus der Feder geschüttelt ist diese in Teilen bitterböse Verwandlung des Brexit in den Reversalismus. Mit feinem Gefühl allerdings spielt McEwan mit den Widersinnigkeiten, die die Politiker den Menschen antun. Wo bleibt die Vernunft? Warum gibt es nur noch hohles Geschrei? Und warum wählen Leute so? In diesem Buch marschiert die Veränderung beinahe noch auf sechs Beinen voran und verkauft sich selbst bestens mit einem Darum. Ein Darum, das in seiner Sinnentleertheit jegliche vernünftige Argumentation abtötet. Man müsste schmunzeln, wenn man nicht langsam den Eindruck gewonnen hat, in der Welt geht es tatsächlich so zu.

Eine garstig böse, aber auch humorige Satire, bei der einem häufiger mal das Lachen im Halse stecken bleibt.


 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.701
22.124
49
Brandenburg
Reversalismus


Überraschend macht er eine unglaubliche Veränderung durch und er erwacht im Bett des britischen Premierministers. Nicht nur in dessen Bett, nein, er ist der Premier. Wie ungewohnt ist dieser Körper, wie ungelenk, wie schwer. Doch flugs gewöhnt sich der sein Geist an die neue Behausung und hat kaum Probleme, der Welt gegenüber als Regierungsoberhaupt aufzutreten. Es gilt, die Idee des Reversalismus zu vertreten. Mit Überzeugungskraft und Geschick führt er seine Argumente. Das ungläubige Staunen, dass er damit bei seinen europäischen Partnern weckt, ignoriert er einfach. Der amerikanische Präsident findet ihn schließlich toll. Der Premierminister ist überzeugt von seiner Idee.

Beim Lesen des Buches möchte man es beinahe gerne als Erklärung für das Handeln in der politischen Welt, dass die Akteure in Wahrheit einer anderen Spezies angehören. Es zeugt von Forschheit und Mut des Autors, sich dem Brexit auf diese unerwartete Weise zu widmen. Obwohl es natürlich nicht explizit ausgesprochen wird, sind doch unverkennbare Parallelen zwischen dem Brexit und der Einführung des Reversalismus zu erkennen. Hier wie dort werden wider jede Vernunft, Entscheidungen herbeigeführt, die die Welt gewiss nicht besser machen. Zwar wird es ebenso gewiss weitergehen. Dennoch wünschte man vielleicht, es würde eine Pflicht zur Rechenschaft geben.

Eine Innensicht des britischen Systems aus Sicht eines Autors, der dem Brexit eher nichts abgewinnen kann. Vielleicht etwas schnell aus der Feder geschüttelt ist diese in Teilen bitterböse Verwandlung des Brexit in den Reversalismus. Mit feinem Gefühl allerdings spielt McEwan mit den Widersinnigkeiten, die die Politiker den Menschen antun. Wo bleibt die Vernunft? Warum gibt es nur noch hohles Geschrei? Und warum wählen Leute so? In diesem Buch marschiert die Veränderung beinahe noch auf sechs Beinen voran und verkauft sich selbst bestens mit einem Darum. Ein Darum, das in seiner Sinnentleertheit jegliche vernünftige Argumentation abtötet. Man müsste schmunzeln, wenn man nicht langsam den Eindruck gewonnen hat, in der Welt geht es tatsächlich so zu.

Eine garstig böse, aber auch humorige Satire, bei der einem häufiger mal das Lachen im Halse stecken bleibt.



Die Idee gefällt mir nicht, weil sie nur abgekupfert ist vom Franzl. Und modifiziert. Aber trotzdem - man muss unwillkürlich lachen. Es ist natürlich leicht, sich von außen lustig zu machen. Aber ich denke, Politk zu machen, ist gar nicht so leicht.
 
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