Rezension (4/5*) zu Die jüngste Tochter von Fatima Daas

Irisblatt

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15. April 2022
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„Ich heiße Fatima. Ich trage den Namen einer heiligen Figur ...

„Ich heiße Fatima. Ich trage den Namen einer heiligen Figur des Islam. Ich trage einen Namen, den ich ehren muss.“
Fatima Daas hat ihr Debüt geschrieben. Doch um was handelt es sich hier eigentlich? Ist es ein Roman? Eine Selbstanklage? Eine Bestandsaufnahme? Eine Liebeserklärung an Gott? Eine Identitätssuche?
Fatima Daas ist in der Pariser Banlieue aufgewachsen. Sie ist die jüngste Tochter einer algerisch-muslimischen Familie.
Fatima kennt den Koran gut, ist gläubige Muslimin und lesbisch. Ihre Homosexualität macht sie automatisch zur Sünderin.
Das Debüt weist autobiographische Züge auf und wurde von der 25-jährigen Autorin unter dem Pseudonym Fatima Daas veröffentlicht - Fatima Daas ist zugleich der Name der Hauptprotagonistin.

Es fällt mir schwer, das Buch zu beurteilen. Die Kapitel sind kurz, die Sätze knapp. Jedes Kapitel beginnt mit der gleichen oder leicht abgewandelten Eingangsformel: „Ich heiße Fatima Daas. Ich bin Französin. Ich bin algerischer Herkunft“, „Ich heiße Fatima Daas. Mein Vater heißt Ahmed (…). Meine Mutter Kamar (..)“, „Ich heiße Fatima. Fatima ist ein weiblicher muslimischer Vorname.“, „Ich heiße Fatima. Ich suche Stabilität.“„Ich heiße Fatima Daas. Ich bin Muslimin, also habe ich Angst.“ Durch diesen Aufbau und die Wiederholungen zu Beginn eines jeden Kapitels entfaltet der Text eine regelrecht hypnotische Wirkung. Er fühlt sich wie ein Mantra an. Auch die Suren im Koran beginnen mit der immer gleichen Eingangsformel: „Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen“. Die Parallelen zu Fatima Daas' Roman sind offensichtlich und mit Sicherheit gewollt. Durch die einleitenden Sätze werden die unterschiedlichen Facetten in Fatimas Identität aufgezählt. Zugleich zeigt der Text, dass Herkunft und Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen nicht zwangsläufig dazu führen, sich zugehörig zu fühlen. Fatimas Sehnsucht ist tief empfundene Zugehörigkeit. Der Text setzt sich in großen Teilen mit ihrem Glauben und ihrer Homosexualität auseinander. Auch das Rollenverständnis in muslimischen Familien, die Bedeutung von Ehre und Schande, Sprachlosigkeit und Verschleierung innerhalb der Familie finden Eingang in den Text. Fatima Daas schreibt eindringlich und beklemmend. Die aneinandergereihten Episoden aus ihrem Leben, ihre Gedanken entfalten einen Sog und ich fand es schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Die Probleme der Protagonistin sind mir sehr fremd. Trotzdem ist es Fatima Daas gelungen, etwas in mir anzurühren. Sie hat ein Fenster in ihre Innenwelt geöffnet und mich nachdenklich gemacht. Die Bedeutung des Romans liegt sicherlich auch in der Thematisierung des Tabuthemas Homosexualität. Die Haltung des Islam, Homosexualität als Sünde einzustufen, stellt mit Sicherheit viel gläubige Muslim*innen vor immense Probleme.