Rezension Rezension (4/5*) zu Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman von Jessica Grant.

Leserina

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17. März 2018
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Wer Forrest Gump mag, sollte auch mal zu Audrey Flowers greifen

Audrey Flowers ist Mitte Zwanzig und lebt in den USA, als sie die Nachricht erhält, dass Ihr Vater nach einem Unfall schwer verletzt im Koma liegt. Eilig macht sie sich auf den Weg zu ihm nach Kanada und nimmt den Leser dabei mit auf eine Reise zurück in ihre Vergangenheit.
Sie wird ihn jedoch nicht mehr lebend antreffen, und zieht erst mal wieder im Haus ihrer Kindheit ein.
Viele Fragen türmen sich plötzlich vor ihr auf: Zum Beispiel, warum ihr Onkel Thoby bereits seit ihrer frühsten Kindheit bei ihr und ihrem Vater lebt, obwohl er eigentlich in England zuhause ist. Oder was genau es mit der scheinbar uralten Maus namens Wedge auf sich hat, die bereits seit annähernd zwanzig Jahren zur Familie gehört. Und wer ist Toff und welche Rolle spielt er im Leben der Familie Flowers?
Audrey macht sich auf ihre ganz eigene Art auf die Suche nach der Lösung all dieser Fragen und bekommt dabei tatkräftige Unterstützung von Judd, einem wahren Fachmann für Weihnachtsbeleuchtungen.

Audreys Art ist in der Tat sehr besonders und einzigartig, einfach deswegen, weil sie es auch ist. Nicht umsonst wird sie von ihren Freunden liebevoll Oddly (odd = sonderbar, wundersam, versponnen) genannt. Zwar ist sie mit wenig Intelligenz und einem niedrigen IQ gesegnet, macht diesen Mangel jedoch durch ihre liebenswerte und drollige Art des Seins und Denkens wieder wett. Man muss sie mit ihrer kindlichen Naivität einfach gerne haben und beim Lesen schleicht sich einem öfter mal ein Grinsen ins Gesicht, aufgrund ihres etwas skurrilen Humors und ihrer Vorliebe für Wortspiele jeglicher Art.

Den Einstieg in die Geschichte macht einem Jessica Grant nicht ganz leicht. Dazu ist ihre auffällige Interpunktion einfach viel zu ungewöhnlich, als dass von Begin an ein störungsfreier Lesefluss möglich wäre. Sie verzichtet am Ende von Fragen auf Fragezeichen und wörtliche Rede (und davon gibt es eine Menge) wird nicht als solche gekennzeichnet. Der komplette Text ist durchgängig geschrieben und sorgt damit definitiv für eine gewisse Verwirrung. Erstaunlicherweise hatte ich mich daran jedoch recht schnell gewöhnt, so dass ich beim Lesen nicht mehr aus dem Konzept gebracht wurde.

Es gibt zwei Erzählperspektiven: Einmal die aus Sicht von Audrey und dann, immer im Wechsel, von ihrer alten und weisen Schildkröte Winnifred. Gerade diese Einlagen verleihen der Geschichte nochmal einen besonderen humoristischen Hauch.

Am Ende der Story, die geprägt ist durch viele Skurrilitäten und humoristische Situationskomik, löst Audrey in der Tat das lang gehütete Familiengeheimnis und obwohl der Leser währenddessen mit dabei ist, erschließt es sich ihm nicht wirklich und es bleibt seiner eigenen Interpretation überlassen, was damit nun gemeint sein könnte.

Mein Fazit: "Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers" ist ein netter Roman für Leser, die Protagonisten mögen, die einfach "anders" als der Normalbürger sind. Audrey Flowers erinnert mit ihrer Art und Weise sehr deutlich an Forrest Gump und ich meine, wem seinerzeit seine Geschichte gefallen hat (sei es im Film, oder als Roman), der sollte unbedingt auch mal zu Audrey Flowers greifen.