Rezension Rezension (4/5*) zu Die drei Leben der Hannah Arendt von Ken Krimstein.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Die drei Leben der Hannah Arendt von Ken Krimstein
Kaufen >
Am Leben zu sein und zu denken ist ein und dasselbe...

Hannah Arendt: streitbare Jahrhundertdenkerin, zu früh, zu wütend, auf so einschüchternde Weise klug, zu jüdisch, nicht jüdisch genug. 1933 floh sie aus Nazi-Deutschland ins Exil, über Tschechien, Italien und die Schweiz zunächst nach Paris. Später dann in die USA. Von dort aus avancierte sie zu einer der großen Ikonen unserer Zeit. ›Die drei Leben der Hannah Arendt skizziert rasant und liebevoll ihren Lebensweg.

Eine Biografie in der Darstellung einer Graphic Novel - dies schien mir ein reizvoller Ansatz, weshalb ich sehr gespannt war auf das Buch. Auf den ersten Blick war ich tatsächlich etwas enttäuscht, da die Zeichnungen wie rasch skizziert wirken, grob mal eben aufs Blatt geworfen, oberflächlich. Dann aber war ich erstaunt, wie aussagekräftig das ein oder andere Bild trotzdem ist - ein Eindruck, der sich im Laufe der Lektüre noch verschärfte.

Gehalten sind die Zeichnungen fast durchgehend in verschiedenen Grauschattierungen, als einziger Farbtupfer erscheint gelegentlich etwas Grün, fast immer die Person Hannah Arendt betreffend. Doch nicht nur Zeichnungen finden sich hier, sondern gelegentlich auch Fotos - teilweise als dezenter und fast ausgeblendeter Hintergrund für die darübergelegte zeichnerische Darstellung.

Ken Krimstein präsentiert das Leben, die Begegnungen, das Werk Hannah Arendts in der Chronologie des Geschehens, reißt dabei vieles jedoch nur an, was sich sicherlich zu vertiefen lohnen würde. Bis auf die wenigen Darstellungen als Kind erscheint Hannah Arendt auf jedem Bild mit der obligatorischen Zigarette - eigentlich ein Wunder, dass sie so alt wurde (1906-1975), dies aber mal nur so nebenher.

Bereits als Kind erscheint Hannah Arendt als intelligent, wissbergierig, neugierig, verstehen wollend, gleichzeitig aber auch als kompromisslos und konsequent. Ihr scheint es schon früh egal, was andere von ihr halten (außer vielleicht später ihre langjährige Liebe Martin Heidegger), sie geht ihren Weg, hat dabei aber auch das Glück, dass z.B. ihre Mutter ihr keine Vorwürfe macht, sondern die Konsequenzen solidarisch mitträgt.

Mit Martin Heidegger, dessen Vorlesungen sie besucht, verbindet Hannah Arendt eine tiefe langjährige und heimliche Liaison, die durch die Hinwendung Heideggers zum Nationalsozialismus und Hannah Arendts Flucht aus Deutschland ein Ende findet. Weitere Begegnungen sieht das Leben jedoch noch vor, und erst spät kann Hannah sich wirklich von der Liebe zu dem Philosophen losmachen, mit dem sie in philosophischer Hinsicht lange nach der einen Wahrheit gesucht hat.

Die Denkerin Hannah Arendt wird durch die Umstände des Krieges und der Verfolgung auch in der Praxis mit dem konfrontiert, was es heißt, Mensch zu sein, Entscheidungen zu treffen oder auch nicht, seinen Wertvorstellungen treu zu bleiben oder auch nicht, mit all den Grausamkeiten und Wahrheiten umgehen zu müssen. Ob im Internierungslager in Frankreich oder später im Exil in New York: die Folgen des Krieges lassen Hannah Arendt nicht los.

Nicht nur das Leben und die Begegnungen Hannah Arendts werden in dieser Graphic Novel skizziert - etwas überfordert fühlte ich mich da zuweilen vom nahezu infaltionären Gebrauch des Namedroppings, zumal mir viele der Namen tatsächlich nichts sagten - sondern es wird tatsächlich auch auf die philosophischen Ansätze Arendts eingegangen. Ich will jetzt nicht so weit gehen zu behaupten, diese nun umfassend verstanden zu haben, doch habe ich zumindest eine Idee davon bekommen, was damit gemeint sein könnte. Pluralität und Natalität vs. Totalitarismus und die 'Banalität des Bösen' sollen hier als Schlagworte genügen.

Insgesamt bietet diese Graphic Novel einen erstaunlich informativen Abriss - trotz des sicherlich geringeren Textanteils als in 'normalen' Biografien bilden für mich hier Text und Zeichnungen ein gelungenes und aufeinander abgestimmtes Ganzes, das tatsächlich ein recht umfassendes Bild vom Leben, Werk und den Ideen Hannah Arendts bietet.

In jedem Fall lädt die Graphic Novel ein, sich noch eingehender mit dieser interessanten Frau und ihren Denkansätzen auseinanderzusetzen...


© Parden

 
  • Hilfreiche Rezension
Reaktionen: kingofmusic