Rezension Rezension (4/5*) zu Die Beichte einer Nacht von Marianne Philips

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Nachtschicht oder ein Ausbruch mit Folgen

In einer schnörkellosen und recht einfach gehaltenen Sprache erzählt eine Frau einer Nachtschwester in einer Psychiatrie ihre Lebensgeschichte. Dies ist etwas, was mir in meiner Laufbahn auf Station öfters passiert ist. Gerade die Nacht lockt bei manchen Menschen irgendwie einen Redefluss hervor, obwohl ich den Tag für Lebensberichte vorziehe, ich kann einfach ausgeschlafen besser auf Informationen adäquat reagieren. Aber gut, zurück zum Buch.



Was mir an dieser Art des Berichtens nicht so gefallen hat ist eine recht emotionslose, fast gefühlskalte Art des Beschreibens der Stationen des Lebens dieser Frau, dieser Heleen. Man bekommt fast sofort den Eindruck eines dramatischen Verlaufs. Natürlich gibt es Ursachen dieser Entwicklung der Heleen, in ärmlichen Verhältnissen groß geworden, mit wenig Bildung konfrontiert und in einem etwas engen Elternhause erwachsen geworden, bricht eben diese Heleen aus. Sie verlässt ihr Elternhaus, geht in die Stadt, möchte ein besseres Leben. Man möchte feministisch begeistert Bravo rufen, aber irgendwie lastet ein dunkler Schatten auf dem Gesagten. Heleen ist irgendwie sehr um sich selbst kreisend, wirkt egoistisch und selbstbezogen. Auch die Gefühlswelten ihrer Umgebung erschließen sich ihr nicht, fast etwas soziopathisch wirkt sie. Kein Wohlfühlcharakter, definitiv.


Aber man darf nicht vergessen, diese Geschichte entstammt einer anderen Zeit. Ich konnte es nicht direkt aus der Geschichte herauslesen, aber Marianne Philips ist eine 1886 geborene Autorin und "Die Beichte einer Nacht" ist 1930 herausgebracht worden. Somit ergibt sich ein Handlungsrahmen und das Nachwort ist hierzu sehr erhellend. Wobei dieser gewisse autobiographische Anteil auch sehr interessant ist und definitiv ist dieses Buch mutig zu nennen. Spricht es doch Thematiken an, die eigentlich meist totgeschwiegen wurden.



Ein interessantes Buch aus einer vergangenen Zeit, die uns ein Glück erspart bleibt. Aber gut, wir haben unsere eigene Zeit, mit unseren Problematiken. ...

 
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