Rezension Rezension (4/5*) zu Die Altruisten: Roman - Das Sensationsdebüt aus den USA von Andrew Ridker.

Literaturhexle

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2. April 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Altruisten von Andrew Ridker
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Roman über eine besondere amerikanische Familie

Im Mittelpunkt des Romans steht die Familie Alter: Arthur, der Vater, hatte früher durchaus Ideale, ist heute aber lediglich als Honorarprofessor tätig, der es nie geschafft hat, zu einer dauerhaften Vollzeitstelle zu kommen. Er ist ein Mensch, dessen Gedanken primär um sich selbst kreisen und der sich kaum in andere Menschen hinein denken kann. Diesen Mangel an Empathie mussten auch zeit ihres Lebens seine mittlerweile erwachsenen Kinder Ethan und Maggie erdulden. Bis vor zwei Jahren war noch Mutter Francine am Leben, die Zuneigung ausstrahlte und das verbindende Glied zwischen Vater und Kindern war. Sie war als Psychotherapeutin mit eigener Praxis tätig. Francine ist einer Krebserkrankung erlegen, was Ethan und insbesondere die jüngere Maggie stark traumatisiert hat. Dem Vater verübeln sie zudem, dass er in der kritischen Zeit der Krankheit ein Verhältnis mit der deutlich jüngeren Ulrike begonnen hat. Sie haben den Kontakt zu ihm daher abgebrochen.

Nun erhalten die Kinder einen kurzen Brief ihres Vaters, in dem er an die Familienbande und die gemeinsamen Wurzeln appelliert und sie für die Osterferien nach Hause einlädt. Dem Leser werden ziemlich schnell die wahren Beweggründe des Narzissten Arthur deutlich: Seine Einkünfte sind zu gering, um das Haus der Familie zu erhalten. Da die Kinder das Vermögen ihrer Mutter alleine geerbt haben, will er sie um Geld bitten, damit ein drohender Verkauf abgewendet werden kann. Die Kinder nehmen die Einladung an.

In nicht chronologischen Rückblicken rollt sich dem Leser die Vergangenheit der Familienmitglieder auf. Bedingt durch die Eigenwilligkeit der Charaktere kommt es dabei immer wieder zu ironischen, überzogenen Situationen, die unterhaltsam und lustig sind.

Bereits Arthur und Francine stammen aus schwierigen Elternhäusern, was Auswirkungen auf ihre jeweilige Psyche hatte. Entsprechend schenkten sie ihren Kindern nicht die notwendige Aufmerksamkeit. Als Ethan den Eltern z.B. seine Homosexualität gesteht, wird derart gefühllos zur Tagesordnung übergegangen, dass der Junge sich nicht ernst genommen und tief verletzt fühlt.

So ist Ethan ein absoluter Einsiedler geworden. Er hat seinen Job als Unternehmensberater aufgrund von Skrupeln aufgegeben, er fühlt sich „in seinem Leben eingesperrt.“ Er trinkt und igelt sich ein. Seine Schwester Maggie hat zwar einen Studienabschluss, hält sich jedoch mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Sie hat ein Helfersyndrom, sie will sich für die Unterprivilegierten aufopfern, erreicht jedoch mit ihrem geringen Durchsetzungsvermögen nicht viel. Zudem hat sie eine Essstörung, ihr Untergewicht erreicht gefährliche Dimensionen.

Höhepunkt ist sicherlich der Besuch der Kinder beim Vater, auf den alles hinausläuft. Arthur unternimmt viele Bemühungen, um zu seinem Ziel zu kommen. Gespannt verfolgt man diesen Handlungsstrang und möchte wissen, ob sich Ethan und Maggie von ihrem Vater täuschen lassen. Natürlich brechen hier auch alte Konflikte wieder auf, die im Zusammenhang mit der Rückschau ein stimmiges Ganzes ergeben.
Man kann den Roman sehr leicht lesen und fliegt nur durch die Seiten. Dabei hat man es aber permanent mit Figuren zu tun, denen es an gesundem Menschenverstand und normalen Einsichten mangelt. Vieles ist extrem und kaum nachvollziehbar. Im Umfeld der Familie leben weitere Extreme, sowohl extrem reiche, extrovertierte oder eben gestörte Menschen.

Sprachlich empfand ich den Roman als sehr ansprechend. Einige Sätze muss man sich auch angesichts der aktuellen Entwicklung notieren wie beispielsweise: „Der amerikanische Durchschnittswähler ist im Grunde genommen ein verhätscheltes Kind mit einem unstillbaren Verlangen nach Unterhaltung.“ (S. 157)

Da dieses Buch als Sensationsdebüt und Gesellschaftsroman aus den USA beworben wird, stellt sich natürlich die Frage, ob es um die amerikanische Gesellschaft tatsächlich so schlecht bestellt ist. Das wäre beängstigend! Ich hoffe, der Autor wollte nur beobachtete Tendenzen überspitzt darstellen, um damit eine Warnung und Kritik auszusprechen.

Zuviel würde ich persönlich nicht hinein interpretieren. Da die Figuren insgesamt sehr weit entfernt von meiner Lebenswirklichkeit liegen, kamen sie mir auch nicht wirklich nah. „Die Altruisten“ ist aus meiner Sicht ein unterhaltsam-ironischer Familienroman. Die großen gesellschaftskritischen Zusammenhänge konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Die Lektüre ist aber auf alle Fälle empfehlenswert.