Rezension Rezension (4/5*) zu Der Sommer, in dem Einstein verschwand: Roman von Marie Hermanson.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Sommer, in dem Einstein verschwand: Roman von Marie Hermanson
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Die neue Zeit

Das Kettenkarusell in Pastellfarben auf dem Titelbild fängt schon die Atmosphäre des Buches ein. Ein heiterer, manchmal auch aufregender Sommer im Jahr 1923.
Göteborg ist in Aufruhr, die große Ausstellung soll endlich in die ländlich geprägte Kleinstadt ein Flair von Großstadt und Weltläufigkeit bringen. Das Ausstellungsfieber erfasst die Menschen, man ist gespannt auf das Neue, will teilhaben an den modernen Zeiten. So auch Ellen, die berufstätig sein will, eine „Neue Frau“ eben, selbstständig, schick und unabhängig. Ihren ersten Job ergattert sie bei einer Zeitung, die täglich zur Ausstellung erscheint und sie ist für die kleinen Geschichten am Rand zuständig. So trifft sie auch Otto, einen kleinen Jungen vom Land, der als Betreuer der Eselin Bella für das Kinderreiten sorgt.
Aber Aufregung gibt es auch bei Albert Einstein. Er soll seine Nobelpreisvorlesung halten, denn ohne die gibt es kein Preisgeld. Aber Einstein ist in Sorge, er fühlt sich angegriffen und verfolgt. Es gibt Kreise, antisemitisch und wissenschaftsfeindlich geprägt, die offen Hetze verbreiten und nicht ungehört bleiben.
Das alles vermischt Marie Hermanson in einen unterhaltsamen und leichten Sommerroman. Er ist amüsant und unterhaltend geschrieben. Manches wird man aus Einsteins Leben kennen, aber die kleinen, sehr nett ausgedachten Episoden, bringen auch den Menschen näher. Besonders gut ist die Aufbruchsstimmung und das Lebensgefühl der Göteborger eingefangen. Die Menschen, die den Droschken nachtrauern, aber auch schon begeistert auf die neuen Automobile schauen. Ein Werbeflugzeug am Himmel ist eine Sensation. Ellen wird sich in diesem Sommer verändern, auch erkennen, dass es gar nicht so einfach ist, sich einen Platz zu erobern, wenn der Rest der Umgebung noch ganz den alten Traditionen verbunden ist. Aber es gibt keinen Zweifel, sie wird ihren Weg machen. Genau wie der kleine Otto, der in Vorblenden auf das Jahr 2002 als alter Mann von seinem Kindheitserlebnis spricht.
Die Autorin erzählt leichtfüßig und wunderschön, ich bin richtig eingetaucht in das alte Göteborg und der Umbruch und die Euphorie der Menschen war toll eingefangen. Es gibt nicht so viel richtig niveauvolle Unterhaltung, aber „Der Sommer in dem Einstein verschwand“ ist so ein Roman, den ich nur empfehlen kann.