Rezension (4/5*) zu Der Schattenkönig von Maaza Mengiste

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Intensiv und packend

„Er ist ein stiller Mann, der einst eine Nation gegen ein stählernes Ungeheuer anführte, und sie war seine treueste Soldatin: die starke Wächterin des Schattenkönigs. Erzähle es ihnen, Hirut. Jetzt oder nie.“ (Zitat Pos. 85)

Inhalt
Geley und Fasil, die Eltern der jungen Hirut, sind tot. Kidane, ein hoher Offizier des Kaisers Haile Selassie hat ihren Eltern versprochen, sich um ihre Tochter zu kümmern. Er nimmt Hirut als Dienstbotin für seine Frau Aster in sein Haus auf. Mussolinis Truppen sind unterwegs nach Äthiopien, um das Land zu kolonialisieren. Anfang Oktober 1935 rücken die Italiener mit einhunderttausend Mann und stark bewaffnet an. Der Kaiser flieht mit seiner Familie nach England, doch er befiehlt Kidane, trotz des übermächtigen Gegners weiterzukämpfen. Da schreitet Aster ein und ruft alle Frauen auf, ihre Männer als Soldatinnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln im Kampf zu unterstützen. Auch die Köchin und Hirut erhalten wichtige Aufgaben bei der Versorgung der kämpfenden Männer und der Verwundeten. Als Hirut den Musiker Minim sieht, hat sie eine Idee, doch der Gegner ist einer der grausamsten, brutalsten Offiziere Italiens.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um den Abessinienkrieg Mussolinis von 1935 bis 1941, Rassismus, Völkermord, chemische Massenvernichtungswaffen. Vor allem jedoch geht es um die Solidarität mutiger Frauen aus allen Bevölkerungsschichten, die bereit waren, die Männer als Soldatinnen zu unterstützen. Wichtige Themen sind die Unterdrückung der Frauen durch die Männer, ihre Rechtlosigkeit, aber auch die Frage nach der Mitschuld am Beispiel eines Kriegsfotografen.

Charaktere
Aster, die als junges Mädchen zur Ehe mit dem älteren Kidane gezwungen worden war, ist herrisch und launenhaft, durch den frühen Tod ihres kleinen Sohnes aus der Bahn geworfen. Doch dieser Krieg verändert sie, sie wird zur Soldatin und ruft alle Frauen zum Widerstand gegen die übermächtigen Feinde auf, zeigt ihnen, wie man kämpft, selbst Patronen herstellt. Hirut ist eine Dienstmagd, der Herrschaft ausgeliefert. Doch mutig kämpft auch sie für die Freiheit Abessiniens. „Foto“ Ettore Navarro dokumentiert als Fotograf der italienischen Truppen alle Ereignisse, er sieht nicht die Menschen, sondern die künstlerische Ausdruckskraft seiner Fotografien.

Handlung und Schreibstil
Eingebettet in einen Prolog und Epilog 1974 werden die Ereignisse der Jahre 1935 bis 1941 chronologisch erzählt, ergänzt durch klassische Kommentarstimmen eines Chors im Hintergrund. Sprachlich ist die Geschichte eine Mischung aus Legenden, wie man sie den Nachkommen erzählt, und einem Heldinnenepos. Die Sprache bewegt sich zwischen blumig ausgeschmückt und kantig, knapp in den Schilderungen der brutalen Szenen, obwohl immer eine tiefe Empathie mitschwingt. Wem es möglich ist, sollte diesen Roman „The Shadow King“ in der englischen Originalsprache lesen. Es liegt nicht an der Übersetzung, aber die englische Sprache kann mit wenigen Worten unendlich viel aussagen und erklären, wo die deutsche Sprache mehrere Sätze braucht und das liest sich dann manchmal holprig. Dies umso mehr, da die Autorin für ihre Geschichte ungewohnte Erzählformen wählt.

Fazit
Eine extrem intensive Geschichte über den brutalen Angriff auf Abessinien durch das faschistische Italien, den mutigen Widerstand der generell unterdrückten Frauen, die hier nicht mehr Opfer sind, sondern zu Soldatinnen werden.


 
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