Rezension Rezension (4/5*) zu Der Revolver von Fuminori Nakamura.

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Revolver von Fuminori Nakamura
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Obsession

Der Debütroman von Fuminori Nakamura „Der Revolver“ aus 2003 vermischt Krimielemente mit einem Schimmer Noir-Roman und ist eine höchst spannende Studie der Obsession eines jungen Mannes.

Ein junger Mann findet einen Revolver neben einem Toten. Er ist fasziniert, gefangen, lässt sich zu Fantasien von Gewalt und Mord hinreißen und erwacht aus seinem langweiligen und eintönigen Lebenstrott als Student. Der Autor interessiert sich nicht für den Toten und die kriminalistische Ermittlungsarbeit, wie sonst in der Kriminalliteratur üblich. Er verfolgt vielmehr den Sog, den die Waffe auf den jungen Mann ausübt, begleitet seine neu erwachte Sucht nach dem Revolver und den asozialen verbotenen Handlungen, die damit verbunden sind.

„Der Revolver war ein Teil von mir geworden, hatte mein ganzes Denken und Handeln durchdrungen. Zu schießen war die eigentliche Bestimmung eines Revolvers, und so war es nur logisch, dass auch ich das wollte. Mich dagegenzustellen hätte bedeutet, zu meinem früheren Ich, meinem früheren Leben zurückzukehren – ein nicht nur sonnloser, sondern auch trostloser Gedanke.“

Der Student Nishikawa hat sich vor dem Fund nicht für Schusswaffen interessiert, auch zeigte er bisher keine gewalttätige Neigung. Aber in dem Moment, als er die Waffe vom Tatort nimmt und mit dem Revolver einfach wieder im Regen verschwindet ist eine innere Spannung und Unruhe geweckt, die den melancholischen Einzelgänger zu einem Getriebenen macht. Obsessiv entfaltet sich sein Verhältnis zu „seinem“ Revolver, er streichelt und poliert ihn, versichert sich der Vertrautheit und der Dauerhaftigkeit der Beziehung zwischen ihm und der Waffe. Nishikawa strudelt immer tiefer in seine Abhängigkeit, seine Handlungen sind die eines getriebenen asozialen Menschen, gleichgültig anderen gegenüber, unfähig zur Empathie oder gar Liebe. Seine Situation ist ausweglos, und auch wenn er erkennt, dass er Gefangener dieser Abhängigkeit ist, tut er nichts um dagegenzuhalten.

Grandios und trostlos, Großstadtanonym und bereit zur Gewalt zeichnet Nakamura seinen Plot und den darin gefangenen Nishikawa. Der Ich-Erzähler wirkt willenlos, lässt sich oft treiben, was ihn für seine Abhängigkeit prädestiniert. Auf schmalem Raum, vergleichbar mit den winzigen Wohnungen in Tokio, wo der Roman spielt, entwickelt der Autor die Geschichte, gespickt mit einigen Backgroundinformationen, die jedoch nicht wirklich zum Verständnis führen und das auch gar nicht sollen. Der Bewegungsradius von Nishikawa ist ebenso gering, begrenzt auf wenige Kontakte und Orte. Er wirkt von Beginn an versehrt, aber man vermag es nicht richtig zu greifen, was mit ihm nicht stimmt, sondern wird sofort auf seine Obsession fokussiert, dann auf die schrittweise Annäherung an die Tat, die Zweck der Schusswaffe ist.
Es geht nicht um ein bestimmtes Verbrechen oder die Erforschung des Grundes dafür, sondern um eine abstrakte Annäherung an den Mord, um die Macht, die der Revolver auf seinen Besitzer ausübt. Die Auswahl der Opfers ist nebensächlich, es geht um den Tötungsakt mit der Waffe an sich, aus der Obsession heraus. Und das ist fast dämonisch, völlig asozial und eiskalt.
Dennoch schafft es Nakamura erstaunlicherweise, den Protagonisten nicht mit Camus-haftem Abscheu und Verachtung darzustellen, sondern er erscheint für mich als Gefangener der Situation, ohne Macht, für sich einen Ausweg zu finden.

Soghaft getrieben durch den schmalen Roman bin ich gefangen gewesen vom äußerst düsteren Plot, von der Obsession und von der Frage, was eine Waffe aus einem Menschen macht.
Die passend knappe Menge an Personal und Örtlichkeiten, die knappe Sprache und der Touch eines Krimi Noir haben mir sehr gefallen.

 

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