Rezension (4/5*) zu Der Inselmann: Roman von Dirk Gieselmann

Naibenak

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2. August 2021
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Inselmann: Roman von Dirk Gieselmann
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Über Einsamkeit - traurig, schön und pure Poesie

In den frühen 1960er Jahren irgendwo in Deutschland leben der 10jährige Hans und seine Eltern, die davon träumen, dieser Welt zu entfliehen. Dies wird eines kalten Wintertages mit großer Kraftanstrengung und viel Geduld in die Tat umgesetzt: die Familie zieht auf eine abgeschiedene Insel im nahegelegenen See. Dort gibt es ein Haus, in der ein Schäfer mit seinem Hund gelebt hat. Hans' Familie tritt in seine Fußstapfen und der Hund wird Hans' bester neuer Freund. Während die Eltern damit beschäftigt sind, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen, sträunert Hans ganz seelig allein mit Hund über die Insel und genießt die Stille.

"Bald, sehr bald würde er ein Inselkönig sein, gekrönt durch sich selbst.
Hans, der Erste.
Hans, der Große.
Hans, Herrscher von Amerika." (S.15)

Endlich ist Hans seinen Peinigern aus der Schule entkommen. Aber auch Sehnsucht nach seinem Freund Kalle bricht sich Bahn. Die Einsamkeit kann einerseits schön, andererseits aber auch traurig sein.

Als man in der Stadt vom neuen Wohnsitz der Familie erfährt, ändert sich einiges. Und durch ein bisschen Ungehorsam von Hans ändert sich gleich sein ganzes Leben.

"Hans, einer von vielen.
Hans, Knecht unter Knechten.
Hans, der nicht mehr Hans ist." (S.112)

Mit großer Zartheit und fantastischen poetischen Bildern erzählt Gieselmann die Geschichte von Hans -von seinem Inselmann. Die Sprache des Romans könnte Hans als König der Insel eigentlich den Rang streitig machen. Die Sprache ist wunderbar, mit eingängiger Melodie und melancholisch träumerischen Bildern. Kurze Sätze bringen das Geschehen voran, so dass trotz des knappen Umfangs viel passiert. Im Äußeren, wie auch im Inneren von Hans.

Macht sich anfangs beim Lesen noch eine angenehme Stille breit, so gibt es plötzlich so etwas wie einen Knall, und alles ist anders. Ich persönlich empfand dies als Bruch und hadere ein wenig mit der unerwarteten Wendung. Die Stille wurde jäh durchbrochen, wie unangenehm. Aber möglicherweise genau so gewollt.

Was danach kommt, bleibt bei mir nicht mehr gut haften. Dies zeigt mir, dass der Roman trotz großer Sprachwunder auch Distanziertheit mit sich bringt. Richtig gut bei Hans bin ich nicht angekommen. Im Gegensatz zu ihm selbst...

Das Ende bringt die Stille zurück. Eine andere Stille. Friedlich, erschöpft, einsam... aber schön.

Welch ein Zufall, dass ich dieses wunderbar poetisch-lyrische Werk ausgerechnet am "Welttag der Poesie" rezensiere ;)


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Christian1977

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