Rezension (4/5*) zu Der Inselmann: Roman von Dirk Gieselmann

Amena25

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23. Oktober 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Inselmann: Roman von Dirk Gieselmann
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Einsamkeit


Der zehnjährige Hans zieht mit seinen Eltern auf eine unbewohnte Insel, mitten in einem großen See. Gründe für diese ,,Flucht“ werden nur angedeutet. Auch genauere Orts- oder Zeitangaben werden nicht genannt, lassen sich stellenweise aber aus der Handlung erschließen. So spielt die Handlung sich vermutlich Anfang der 60er Jahre im Osten Deutschlands ab.
Für die Eltern ist der Umzug eine Flucht vor der Stadt und vor der Realität. Für Hans bedeutet die Insel trotz der harten Lebensbedingungen eine große Freiheit. In der Natur findet er ein Zuhause, das ihm die emotional sehr verkümmert wirkenden Eltern nicht bieten können. Doch als die Behörden auf den Jungen aufmerksam werden, muss Hans täglich zur Schule rudern. Dort findet sich der einzelgängerische Junge nur schwer zurecht und wird Opfer bösartiger Mitschüler und unverständiger Lehrer. Da er dann beginnt, die Schule zu schwänzen, wird er in ein Internat für schwer erziehbare Kinder eingewiesen. Das gnadenlose System dort kann er nur mit seinem Wunsch, auf seine Insel und in die Einsamkeit zurückzukehren, ertragen. Doch erst Jahre später kehrt er dorthin zurück.
Der Roman ist sehr poetisch geschrieben und wirkt, nicht nur durch die ausdrucksstarke Sprache, sondern auch aufgrund der oft nur angedeuteten Realität, märchenhaft. Dieser poetische Stil wirkt stellenweise allerdings auch etwas überladen.
Besonders die Passagen, in denen Hans in der Schule oder im Internat Unverständnis und Quälereien ausgesetzt ist, sind sehr ergreifend. Auch die Sprachlosigkeit zwischen ihm und seinen Eltern, die sich dann auch auf alle seine menschlichen Kontakte auswirkt, ist bedrückend. Hans‘ Eigensinn und Wunsch nach Einsamkeit wird durch seine Lebensgeschichte verständlich. Dennoch hinterlässt die Lektüre bei mir einen zutiefst traurigen und melancholischen Eindruck.