Rezension Rezension (4/5*) zu Der Distelfink: Roman von Donna Tartt.

wal.li

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1. Mai 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Distelfink von Donna Tartt
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Sein Vater ist schon vor über einem Jahr abgehauen, der beste Vater war er nie. Mit 13 Jahren verliert Theo tragischerweise auch seine Mutter. Bei einem Anschlag auf ein Museum, das Beide gerade besuchen, kommt seine Mutter um. Theo, der nur einen Moment auf sie warten sollte, muss das wohl traumatischste Erlebnis überstehen, das ihm je widerfahren wird. Er wird verschüttet und als er aus seiner Ohnmacht erwacht, hilft er einem älteren Mann, der leider nicht gerettet werden kann. Theo findet Halt in einem Bild, dem Lieblingsbild seiner Mutter, das er aus den Trümmern retten kann, das er allerdings vergisst zurückzugeben.

Kein Wunder, dass dieses einschneidende Ereignis Theos Leben bestimmt. Niemand scheint ihn haben zu wollen, seine Großeltern nicht, sein Vater bleibt verschwunden. Endlich kommt er bei der Familie eines Klassenkameraden unter, die ihn von Andy abgesehen auch eher kühl behandeln. Die Therapie bei einem Psychologen schlägt nicht so recht an, verständlicherweise vermisst Theo seine Mutter aufs Äußerste. Und gerade als er beginnt etwas Hoffnung zu schöpfen und er es geschafft hat, eine Verbindung zu dem Mädchen, das ihn im Museum so verzaubert hat und das ebenfalls überlebt hat, aufzunehmen, taucht sein Vater wieder auf. Ein Vater, der immer noch kein guter Vater ist, der Besitz des Bildes, der weiter auf ihm lastet - Theo beginnt den Halt zu verlieren.

Einen umfangreichen Roman um ein real existierendes Meisterwerk präsentiert Donna Tartt ihren Lesern. Das ist man von ihr schon so gewöhnt, auch ihre geringe Produktivität ist bekannt. Man kann sich förmlich vorstellen wie sie jedes Wort abwägt, dreht und wendet bis sie es endlich in gemessener Form niederschreibt, an seinen Platz stellt. War man von ihrem Erstlingswerk „Die geheime Geschichte“ fasziniert und von dem Nachfolger „Der kleine Freund“ angeödet, geht man mit banger Erwartung an diesen neuen Roman heran, dessen Entstehung wieder ungefähr zehn Jahre in Anspruch genommen hat. Mit über tausend Seiten nicht gerade schmal türmt sich die Aufgabe vor dem Leser wie ein Berg. Erstaunlich schnell lässt sich dieser dann erklimmen. Zwar will er wohlmöglich ähnlich wie beim Schreiben Wort für Wort genommen werden, dennoch wirkt sein Bann. Auch wenn es kleiner Pausen bedarf, mag man schließlich von dem Buch nicht mehr lassen. Man folgt Theos Achterbahnfahrt durch seine Jugend, seine „aus der Bahn Geworfenheit“ stößt manchmal ab, häufiger aber berührt sie. An manchen Wendepunkten wünschte man ihm mehr Glück, mehr Durchblick. Man leidet mit, wenn sich beinahe ohne sein Zutun etwas zum Ungünstigeren wendet. Bald hofft, sein Leben möge doch eine ruhigere und positivere Fahrt aufnehmen. Auch wenn die Autorin für manchen Geschmack vielleicht hin und wieder zu weit ausholt, scheint doch letztlich kein Wort überflüssig. Wenn man sich auf die Lektüre einlassen kann und sich vornüber ins Vergnügen stürzt, hat man hier ein Werk, das jede Minute wert ist, die es beansprucht.


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