Rezension Rezension (4/5*) zu Der Circle: Roman von Dave Eggers.

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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München
Buchinformationen und Rezensionen zu Der Circle: Roman von Dave Eggers
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Mit besten Absichten in die Hölle

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. MIt diesem Sprichwort lässt sich im Grunde Dave Eggers Roman The Circle zusammenfassen.

Mae Holland ist 24. Sie kommt aus kleinen Verhältnissen. Arbeitet bei den Strom- und Gaswerken, will aber mehr. Ihre Freundin Annie ist in führender Position in der angesagtesten Firma im Silicon Valley, dem Circle. Mit Annies Fürsprache schafft Mae ebenfalls den Sprung dorthin.

Der Circle, ja, was ist das eigentlich? Eine Firma? Irgendwie Ja und irgendwie Nein. Der Circle ist eine Firma, wie man sie bis dato noch nicht gesehen hat. Eine Firma, die sich nicht auf eine einzelne Kernkompetenz beschränkt, sondern die Welt verbessern will, und zwar alle Aspekte dieser Welt. Es gibt nichts, was sich der Circle nicht zutraut. Und weil er durch florierende Geschäfte bereits über schier unbegrenzte Mittel verfügt sammelt er mit immer höherer Taktung die klügsten und kreativsten Köpfe ein.

Der Circle will die Gesundheitsvorsorge revolutionieren, indem in Echtzeit Körperfunktionen gescannt und ausgewertet werden. Er will Kinder durch ortbare Implantate vor Entführungen schützen. Und durch eine Minikamera, mit der sich jeder Ort der Welt rund um die Uhr überwachen lässt, für Tansparenz sorgen und der Demokratie zum Durchbruch verhelfen.

Das alles hat seinen Preis. Und dieser Preis ist die Privat- und Intimsphäre des Einzelnen. Und so heisst es dann auch folgerichtig in einem Slogan des Circle: „Privatheit ist ein Verbrechen“. Denn nichts könnte den Aktivitäten des Circle gefährlicher werden als Menschen mit einem gut funktionierenden gesunden Menschenverstand, die vielleicht die genialen Errungenschaften der Firma ablehnen würden. Zu denen gehört Mae Holland nicht. Werte abwägen kann sie nicht. Deshalb steigt sie in der Hierarchie schnell auf und wird zum Maskottchen des Circle. Das ständige Arbeiten unter höchstem Druck, das Eigespanntsein in der Freizeit, das völlige Fehlen von Selbstkritik, das verschafft dieser Firma das Flair einer Sekte oder auch eines totalitären Regimes. Wer die Dinge anders sieht, der irrt sich eben und muss bekehrt werden. Gegen die Mitarbeiter des Circle war jedes Zentralkommittee einer beliebigen kommunistischen Diktatur eine sich in Selbstkritik zerfleischende Gruppe.

Mae Holland macht weiter und hält dem Circle die Stange, auch als erste Opfer zu beklagen gibt. Sie bedauert die Opfer ehrlich. Aber die Schlussfolgerung, dass die Opfer eben Opfer des Circle sind, den zieht sie nicht. Sie kann es nicht. Es ist diese Mischung aus Begeisterung über die eigenen Chancen, fehlender Selbstkritik und beinahe krimineller Naivität, die aus der gut meinenden Mae Holland eine Jahrhundert-Verbrecherin machen, weil sie massgeblich mit hilft eine Diktatur zu erschaffen, aus der es kein Entkommen mehr geben wird. Mit dem Typus Mae Holland, der freudestrahlend und ohne einen eigenen Gedanken der Verheissung hinterher marschiert, sind Diktaturen erst möglich. Vermutlich haben mit diesem Typus auch das Dritte Reich funktioniert und die kommunistischen Diktaturen im Osten.

Eggers macht sich nicht viel Mühe zu kaschieren, wen er mit Circle meint: Google. Viellleicht spielt er mit Circle auch auf die neun Kreise der Hölle aus Dantes Inferno an. Die Charaktere sind nicht besonders stark, das Ende ist vorhersehbar. Deshalb 4 Sterne für eine Geschichte über eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre.

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