Rezension Rezension (4/5*) zu Das Zeitenmedaillon - Die Auserwählte von Tanja Neise.

TheUjulala

Mitglied
26. November 2016
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Dachau
www.theujulala.de
Überraschend gut und spannend mit der richtigen Portion Humor

In letzter Zeit habe ich ganz schön viele Liebesromane gelesen. Das liegt vor allem an meiner Challenge, von allen Autoren der Häppchenlesung bei der LBM 2019 das Buch zu lesen, welches sie an dem Abend vorstellen - oder zumindest ein Buch der Autorin. Liebesromane lese ich ab und zu auch ganz gerne, aber nicht in dieser Geballtheit. Tanja Neises Liebesroman “Liebe, das sind wir” ist zwar bereits erschienen, aber hier habe ich mich doch dazu entschlossen, ihren neuen Romantasy-Zeitreise-Roman “Das Zeitenmedaillon - die Auserwählte” zu lesen. Und ich habe es nicht bereut. Auch Tanja Neise gehört zu den Autorinnen, die ich noch nicht gelesen hatte.

Coverbild

Das Cover gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin ja ein großer Freund von grafiklastigen Covern. In der Mitte sieht man die goldene Zeichnung eines aufgeklappten Uhrenmedaillons. Im unteren Drittel steht der Buchtitel in einem kursiven Schriftzug. Das ganze Bild wird von stilisierten Rosenranken ebenfalls in goldener Farbe umrandet. So schlicht aber so schön. Less is more.

Handlung

Die junge Frau Isabelle kommt aus einer zerrütteten Familie, und dazu hat ihr Freund sie auch noch mit ihrer besten Freundin betrogen. Als sie gerade in einem Kiosk jobbt, bekommt sie von ihrem Stammkunden, dem alten Herrn Treschke, ein Medaillon geschenkt. Doch dieses Schmuckstück birgt ein Geheimnis. Plötzlich wacht Isabelle Anfang des 19. Jahrhunderts auf und wird gleich von einer Horde Soldaten aufgegabelt. Obwohl Isabelle ohne der Hilfe des älteren Pierre, der sie in sein Haus aufgenommen hat, verloren gewesen wäre, muss sie sich auch noch zu guter Letzt als Verlobte des griesgrämigen Henris, der Sohn von Pierre, ausgeben. Denn in Trier hat der zu der Zeit mächtigste Mann der Stadt ein Auge auf Isabelle geworfen und möchte Sie in seinem Besitz wissen, und natürlich Henri ausschalten. Es beginnt für Isabelle und Henri ein aufregendes Abenteuer in einer Zeit, in der Frauen noch weit entfernt waren von jeglichen Initiativen in Richtung Gleichberechtigung der Frau, und es sollte noch mindestens 100 Jahre dauern.

Buchlayout / eBook

Das eBook ist eher schlicht gestaltet. Die Kapitel werden mit der Nummer und nur dem Wort “Kapitel” eingeführt. Dabei sind die einzelnen Kapitel in einer angenehmen Leselänge und teilen die 303 Seiten in 26 Abschnitte ein.

Idee / Plot

Zeitreisen versprechen immer eine abenteuerliche und fantastische Geschichte. Denn eigentlich kann niemand wirklich sagen, wie es damals war. Aber sie geben einem die Gelegenheit in die Zeit zurück zu reisen und sich ungefähr vorstellen zu können, wie das Leben wohl gewesen sein muss. Besonders interessant finde ich hier, dass die Autorin durch die Zeitreise ihrer Protagonistin besonders auf das Frauenbild kurz nach der französischen Revolution eingeht und die Unterschiede zu unserem 21. Jahrhundert hervorhebt. Aber inwieweit darf Isabelle in die Geschichte eingreifen? Welche Auswirkungen kann es haben, wenn sie ihr Wissen über den Verlauf der Weltgeschichte jemanden aus dem 19. Jahrhundert mitteilt?

Emotionen / Protagonisten

Isabelle hat mir gut gefallen. Sie ist eine toughe Protagonistin, die sich ihrem Schicksal fügen muss, denn die Rechte der Frauen waren vor 200 Jahren noch gar nicht in der Art und Weise existent, wie sie es aus ihrem bisherigen Leben gewohnt war. Auch wenn sie manchmal etwas trotzig ist, weiß sie, dass sie sich zurückhalten muss. Ich habe ihr in vielen Situationen sehr gut nachvollziehen und mitfühlen können.

Im Jahr 1805 kommt sie aber Dank Pierre in eine Familie, die sie in ihrem wahren Leben nicht hat. Sie beginnt sich trotz der Umstände in diese Zeit einzuleben und auch irgendwie wohl zu fühlen, was vor allem an Henris Vater Pierre und Schwester Claire liegt, die sie liebevoll in die Familie aufgenommen haben.

Henri ist natürlich erst mal ein totaler Miesepeter und überhaupt nicht gut auf Isabelle zu sprechen. Aber er hat eh von Frauen die Nase voll und möchte damit gar nichts mehr zu tun haben. Natürlich ist er von der vorgetäuschten Verlobung nicht begeistert. Henri gefällt mir aber sehr gut, er ist ehrlich und beginnt langsam an Isabelle zu glauben. Vor allem respektiert er sie und sieht sie trotz Heirat nicht als Eigentum an.

“Vor Wut hatte Henri gegen einen der dicken Balken geboxt. Blut sickerte aus mehreren Wunden an seinen Fingerknöcheln. Es fehlte nur noch der Qualm, der aus seinen Nasenlöchern heraustrat.”

Tanja Neise “Das Zeitenmedallion - Die Auserwählte”, Pos. 1173 (eBook kindle Edition © 2018 Tanja Neise, 47North)

Es gab ein paar sehr schöne und auch fein prickelnde Momente zwischen den beiden. Aber manchmal hätte ich Isabelle richtig schütteln können, weil sie in Sachen Henri dann plötzlich so naiv ist und vor allem nicht redet!

Handlungsaufbau / Spannungsbogen

Nach einer kleinen Einführung in Isabelles Vorleben und Familiengeschichte springen wir auch schon plötzlich in die Vergangenheit. Ab da geht es rasant weiter. Die Autorin hat für mich einen wunderschönen Handlungsaufbau mit mehreren spannenden Momenten und zu keiner Zeit war ich gelangweilt. Die Spannung kommt nicht zu kurz und auch der Sprung in die 60er Jahre fand ich sehr geglückt. Der Epilog schließt die Geschichte für dieses Buch ab, trotzdem sind noch ein paar Fragen offen, die wahrscheinlich im 2. Band geklärt werden.

Szenerie / Setting

Ich war noch nie in Trier, und ich denke das muss ich nun auf jeden Fall nachholen! Tanja Neise hat mir auch sonst die Umgebung sehr bildlich beschrieben und ich ich konnte mir jede Zeit auch sehr gut vorstellen. Ich mag es, wenn Geschichten auf unserem Kontinent spielen und auch einen konkreten Bezug haben (Französische Revolution, Frauenrechte etc.)

Sprache / Schreibstil

Sprachlich ist Tanja Neises Stil oft zügig und flüssig, und auch immer wieder ironisch und humorvoll. Die Autorin hat auch sehr schöne und passende Metaphern verwendet. Manchmal gibt es ein paar etwas zu sehr verschachtelte Sätze. Besonders gut gefallen hat mir, dass die Autorin die Sprache der Protagonistin auch der Zeit angepasst hat und das selbst Isabelle aufgefallen ist. Die Geschichte wird in der Vergangenheit als Ich-Erzähler ausschließlich aus der Perspektive von Isabelle erzählt, was meiner Meinung nach sehr gut passt.

“Und dann kam die Erinnerung in der Geschwindigkeit eines Düsenflugzeugs zurück und verharrte bei dem Standbild, das meine Hand zeigte, die ein Messer hielt und über und über mit Blut besudelt war.”

Tanja Neise “Das Zeitenmedallion - Die Auserwählte”, Pos. 1522 (eBook kindle Edition © 2018 Tanja Neise, 47North)

FAZIT

Insgesamt ein wirklich tolles Buch und eine spannende Geschichte, die mich sehr überzeugt hat, in der die Romantik auch nicht zu kurz kommt. Sprachlich hat mich Tanja Neise total überzeugt und ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung!