Rezension Rezension (4/5*) zu Das Schloss in der Normandie von Ulrich Wickert.

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ein undurchdringliches Geflecht...

Korruption bis in höchste politische Kreise gibt es nicht nur in Afrika, das weiß der Richter aus Paris sehr gut. Doch im Fall des Staatspräsidenten aus Äquatorialguinea geht es offenbar nicht nur um Schmiergelder, französische Luxusimmobilien und teure Autos, sondern auch um Prostitution und Mädchenhandel. Jacques Ricous Klage gegen den Machthaber hat jedoch ungeahnte Folgen: Der französische Präsident entlässt einen Minister, seine Chefin entzieht ihm ihr Vertrauen, und seine Gegenspieler wollen ihn ein für alle Mal ausschalten. Sie planen eine Intrige, die, sollte sie gelingen, den Richter in seinem Amt für immer kaltstellen würde. Der Schlüssel der Affäre liegt in einem Schloss in der Normandie. Aber das findet erst Jacques Freundin, die kritische Journalistin Margaux heraus.

Der Richter Jacques Ricou steht im Zentrum dieses vielschichtigen Krimis, denn er ist es schließlich, der gegen den Widerstand zahlreicher politischer Stimmen die Klage annimmt - die Klage gegen den stellvertretenden Staatspräsidenten Äquatorialguineas wegen des Verdachts der Korruption. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs, wie sich bald herausstellt. Es scheint kaum ein Verbrechen zu geben, in das der Sohn des Präsidenten des afrikanischen Kleinstaates nicht verwickelt ist - nur: was davon lässt sich ihm nachweisen? Und so beginnt der Kampf Gut gegen Böse, bei dem Jacques Ricou lange nicht klar ist, wer hinter dem Angeklagten noch so alles seine Fäden zieht.

Gemeinsam mit einem befreundeten Polizeichef sowie mit Ricous seit kurzem schwangeren Freundin Margaux, die bei einer bekannten Tageszeitung als erfahrene Enthüllungsjournalistin arbeitet, versucht der unbestechliche Richter dem undurchdringlichen Geflecht an Verstößen, Verbrechen, Intrigen und üblen Machenschaften auf den Grund zu gehen. Dabei wachsen im Verlauf nicht nur die Erkenntnisse, sondern zunehmend auch die Sorge davor, zu welchen Mitteln der Angeklagte und seine Hintermänner noch greifen würden. Erst die Undercover-Ermittlungen von Margaux in einer Psychiatrie in einem abgelegenen Schloss in der Normandie bringen Licht ins Dunkle - doch zu welchem Preis?

Ulrich Wickert, den die meisten sicher nur aus seiner langjährigen Tätigkeit bei der ARD-Nachrichtensendung "Tagesthemen" kennen, hat selbst ein Jurastudium absolviert und im Rahmen seiner Tätigkeit als Korrespondent viele Jahre in Paris gelebt. Insofern erscheint es plausibel, die Handlung auf vertrautem Terrain anzusiedeln und dabei einen Richter sowie eine Journalistin gesellschaftlich-politische Themen an den Pranger stellen zu lassen, deren Aktualität dem ganzen einen überaus authentischen Anstrich verpasst. So ist es vielleicht auch einem lebens- und berufserfahrenen ehemaligen Journalisten möglich, Dinge in Romanform zufriedenstellend zu regeln, denen man ansonsten womöglich ohnmächtig gegenübersteht.

Der Autor hat für mich eine interessante Mischung an Themen und Handlungen geschaffen, die trotz des eher bedächtigen Erzähltempos zu fesseln vermag. Dass die Charaktere trotz der Darstellung von Auszügen ihres Privatlebens eher etwas blass blieben, schreibe ich dem Umstand zu, dass es sich hierbei bereits um den sechsten Band einer Reihe um den Richter Jacques Ricou handelt - der allerdings mein erster war. Vom Verständnis der Handlung her fand ich es nicht problematisch, mit dem bislang letzten Band der Serie zu beginnen, allerdings würde ich schon vermuten, dass mir die Charaktere vertrauter wären, wenn ich die Folgen der Reihe nach gelesen hätte.

Aber auch so waren mir Jacques Ricou und seine Freundin Margaux schnell sympathisch. Er ein Mann, der das 'savoir vivre' beherrscht, der ein paar wenige gute Freunde sein eigen nennt, der genussvoll seinen kleinen, harmlosen Lastern nachgibt und der sich vor allem der Gerechtigkeit verpflichtet hat und sich dabei nicht verbiegen lässt. Die Journalistin Margaux liebt ihre Unabhängigkeit und akzeptiert auch die von Ricou, betreibt einen leidenschaftlichen aber verantwortungsbewussten investigativen Journalismus - und hat beschlossen, das Kind auszutragen, das sie von Jacques empfangen hat. Für beide bedeutet das gewaltige anstehende Veränderungen, doch die aktuellen Ereignisse um die Korruptionsaffäre und die anderen Machenschaften lassen die persönlichen Befindlichkeiten des Paares in den Hintergrund treten.

Ulrich Wickert selbst liest das Hörbuch und folgt dem ruhigen Erzähltempo angemessen mit einem fast schon bedächtig zu nennenden Vortrag. Unter der ruhigen Oberfläche jedoch brodeln die brisanten Themen, und bei den ganzen Hintergründen kann einem zuweilen schon fast schlecht werden - denn nichts von dem hier Geschilderten ist außerhalb des Vorstellbaren und weist durchaus Parallelen zu realen Berichterstattungen in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart, auf.

Ein kleiner Fehler hat sich hier eingeschlichen (das südamerikanische Indianergift 'Curare' lässt einen nicht stundenlang schlafen, sondern lähmt die Muskulatur, wodurch es letztlich zum Atemstillstand kommt). Und das Ende konnte mich nicht ganz überzeugen, da es auf mich übereilt wirkte nach der doch recht ruhigen Entwicklung im Vorfeld. Aber insgesamt macht dieses Hörbuch Lust auf die anderen Folgen der Reihe, nach denen ich gerne Ausschau halten werde...


© Parden

 

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