Gebundenes Buch
Als er gerade dienstlich in Bern ist, erreicht den Zürcher Bibliothekar Ernst ein offensichtlich irregeleiteter Anruf. Am anderen Ende der Leitung ist eine ihm unbekannte Frau, die ihn anfleht, umgehend zu ihr zu kommen. Aus einer Augenblickslaune heraus begibt sich Ernst zu der nahe gelegenen Adresse. Dort erwartet ihn eine alte Frau und drückt ihm ein Päckchen in die Hand mit der Bitte, es zu verwahren, damit es nicht in falsche Hände gerate. Zu seiner eigenen Verblüffung kommt Ernst der Bitte nach. Als er das Päckchen bei sich zu Hause öffnet, entdeckt er eine alte Handschrift, die er als ein Exemplar des "Abrogans" erkennt, eines lateinisch-althochdeutschen Wörterbuchs, das als ältestes deutschsprachiges Buch überhaupt gilt. Sollte es sogar das bisher verschollene Original sein? Was, fragt sich Ernst, hat es mit diesem Fund auf sich? Und was soll er jetzt am besten tun ...
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Als er gerade dienstlich in Bern ist, erreicht den Zürcher Bibliothekar Ernst ein offensichtlich irregeleiteter Anruf. Am anderen Ende der Leitung ist eine ihm unbekannte Frau, die ihn anfleht, umgehend zu ihr zu kommen. Aus einer Augenblickslaune heraus begibt sich Ernst zu der nahe gelegenen Adresse. Dort erwartet ihn eine alte Frau und drückt ihm ein Päckchen in die Hand mit der Bitte, es zu verwahren, damit es nicht in falsche Hände gerate. Zu seiner eigenen Verblüffung kommt Ernst der Bitte nach. Als er das Päckchen bei sich zu Hause öffnet, entdeckt er eine alte Handschrift, die er als ein Exemplar des "Abrogans" erkennt, eines lateinisch-althochdeutschen Wörterbuchs, das als ältestes deutschsprachiges Buch überhaupt gilt. Sollte es sogar das bisher verschollene Original sein? Was, fragt sich Ernst, hat es mit diesem Fund auf sich? Und was soll er jetzt am besten tun ...
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Im Roman fällt dem Bibliothekar Ernst Stricker per Zufall die Abrogans in die Hände. Original oder Abschrift? Das offenbart sich erst am Ende des Romans. Doch was ist die Abrogans überhaupt?
Es handelt sich um ein lateinisch-althochdeutsches Glossar und gilt als das älteste erhaltene Buch in deutscher Sprache. Da der erste Eintrag abrogans = dheomodi (bescheiden, demütig) lautet, hat die Schrift diesen Namen erhalten.
In St.Gallen in der Stiftsbibliothek wird heute eine Abschrift von 911 aufbewahrt.
Doch wie gelangt dieses kostbare Buch in Ernst Besitz?
Am Bahnhof in Bern, wo er sich dienstlich aufhält, will er gerade seine Frau Jaqueline von einem öffentlichen Telefon anrufen, als der Apparat neben ihm klingelt. Warum er abnimmt, kann er sich, dessen Leben bisher in geordneten Bahnen verlaufen ist, nicht erklären. Die Frau am anderen Ende der Leitung, fragt:
"Ernst, (...) bist du es?" (S.5)
Nach einem Zögern antwortet er und kommt ihrer Aufforderung um Hilfe nach, indem er sie in ihrer Wohnung besucht und ein geheimnisvolles Päckchen entgegennimmt. Es gehörte ihrem Mann Philipp Schaefer, einem passionierten Bergsteiger, der im Jahr 1980 von einer Ski-Tour, die er allein unternommen hat, nicht mehr zurückgekehrt ist.
Die fast blinde Frau Schaefer hält Ernst für ihren Neffen und vertraut ihm das Päckchen an, nach dem sich ein alter Bergfreund und ein angeblicher Antiquitätenhändler bereits erkundigt haben.
Ohne seiner Frau die Geschichte zu erzählen, stellt Ernst Nachforschungen zu der Handschrift an, nachdem er sie zuhause aus einem Blatt aus einer Liedersammlung ausgewickelt hat und sie sofort als eine Abschrift oder als Original der Abrogans erkannt hat. Er sucht die alte Dame ein weiteres Mal auf und trifft dabei auch auf den echten Neffen.
Der Roman wird aus verschiedenen personalen Perspektiven erzählt. Im Mittelpunkt steht Ernst, aber auch seine Frau Jaqueline, die ihn als unverbesserlichen Anachronisten beschreibt, da er sich gegen ein Smartphone wehrt, kommt zu Wort. Aufgrund der Geheimniskrämer Ernst glaubt sie, er betrüge sie.
"Sie waren damals, als sie sich zur Heirat entschlossen hatten, übereingekommen, dass die Basis ihrer Beziehung nur Offenheit sein konnte, denn auch Ernsts langjährige Freundin war ohne sein Wissen eine zweite Liaison eingegangen, ein Umstand, der sie beide verband." (S.46)
Beide lassen sich Raum für ihre jeweiligen Vorlieben, Ernst ist passionierter Berggänger, sie singt im Chor und Ernst zerstreut ihre Bedenken mit einem "feurigen Abend" (S.46).
Parallel zu den Nachforschungen Ernsts, die ihn zu jener Berghütte führen, auf der Philipp Schaefer im Jahr 1980 gewesen ist, wird die Entstehung der originalen Handschrift des Abrogans und seiner "Verbreitung" erzählt.
Im Jahr 772 schreibt der junge Novize Haimo das lateinisch-althochdeutsche Glossar und wird anschließend vom Abt Sigido des Klosters Weltenburg in Regensburg auf die Reise gen Süden geschickt. Während Haimo das Wörterbuch in verschiedenen Klöstern abschreiben lassen soll, wird er beauftragt für Sigido ebenfalls Abschriften anzufertigen. Unter anderem besucht er auch das Kloster in St. Gallen. Eine mühsame Arbeit, schließlich gab es noch keinen Buchdruck. Doch Haimo reist nicht allein, so viel sei schon verraten.
Während der Abrogans seine Reise antritt, findet Ernst in den Bergen einen Hinweis darauf, wie das Päckchen in Philipps Besitz gelangt ist sowie ein weiteres Buch aus dem 2.Weltkrieg, das erklärt, warum der angebliche Antiquar aus Deutschland auf der Suche nach dem Päckchen ist.
Bewertung
Laut Literaturhexle, mit der ich den Roman gemeinsam gelesen habe, "las es sich einfach und gut, aber insgesamt hat [ihr] die Tiefe gefehlt."
Den ersten Teil der Aussage kann ich bestätigen, durch die Nachforschungen Ernst und die parallele Handlung um die Entstehung und Verbreitung der Abrogans ist der Roman sehr spannend und interessant. Die liebevolle Herstellung der Abrogans - Haimo schmückt einzelne Buchstaben aus und verwendet kostbare Farbe - vermittelt den Wert der einzelnen Handschriften und führt uns anschaulich vor Augen, wie mühselig die Produktion der Bücher einst gewesen ist. Dieser Teil der Geschichte hat mich besonders fasziniert.
Der Handlungsstrang um Haimo gibt gleichzeitig einen Einblick in das Leben im 8.Jahrhundert, vor allem in das der Benediktinermönche mit ihren strengen Regeln.
Zudem ist der Abrogans nicht irgendein Buch, sondern das älteste erhaltene Buch in deutscher Sprache, mit dem der Abt ein besonderes Ziel verfolgt.
"Wir müssen das Lateinische in unsere deutsche Sprache bringen, damit alle das Wort des Herrn verstehen, auch diejenigen, die der alten Sprache nicht mächtig sind." (S.69)
Ein Anliegen, das auch Luther mit seiner Bibelübersetzung verfolgt hat, wenn auch einige Hunderte Jahre später.
Das Verstehen und das Lesen kommen mehrfach im Roman zur Sprache. Ernst ist Bibliothekar und verweigert sich der digitalen Welt, er bedauert, dass immer weniger gelesen werde und - er heißt "Stricker", spinnt er also den Handlungsfaden? Franz Hohler wird Fabulierlust nachgesagt, das zeigt er eindrücklich mit diesem Roman, der einige skurrile Szenen enthält.
Ein anderer Aspekt, warum mir der Roman so gut gefallen hat, mag daher kommen, dass ich die Berge, ebenso wie der Protagonist Ernst liebe und mich die Schilderung seiner Wanderung zu der einsamen Berghütte besonders angesprochen hat.
Ebenso wie Haimo begibt sich auch Ernst auf eine Reise, die ihn und sein Leben letztlich verändert - der irregeleitete Anruf hat dazu geführt, dass er sich weiter entwickelt und seine geregelten Bahnen verlassen muss.
Daher von meiner Seite, eine klare Lese-Empfehlung
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