Rezension (4/5*) zu Das Land der Anderen: Roman von Leïla Slimani

Yolande

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13. Februar 2020
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Ein Leben in der Fremde

Leïla Slimani ist eine französisch-marokkanische Schriftstellerin und Journalistin. Bereits mit ihrem ersten Roman „Dans le jardin de l'ogre“ errang sie 2014 in Marokko den Prix de la Mamounia. Der Thriller „Chanson douce“ (dt. Dann schlaf auch du), der zwei Jahre später erschien, wurde zum internationalen Bestseller und mit dem renommierten Prix Goncourt ausgezeichnet.
„Das Land der Anderen“ ist der erste Teil einer teilweise autobiografischen Familientrilogie. Das Buch erzählt die Geschichte der jungen Elsässerin Mathilde und des Marokkaners Amine, der während des Zweiten Weltkriegs für die französische Armee kämpfte. Sie verlieben sich, heiraten und ziehen 1947 nach Marokko, wo Amine ein Stück Land geerbt hat. Marokko ist französisches Protektorat, die Unabhängigkeit wird erst 1956 nach heftigen Kämpfen und blutigen Auseinandersetzungen erreicht. Bis dahin sind die Marokkaner Untergebene in ihrem eigenen Land, dürfen sich nicht uneingeschränkt bewegen und sind täglichem Rassismus ausgesetzt. Mathilde und Amine sind durch ihre abgelegene Farm nicht direkt im Kreuzfeuer, aber das gemischt-ethnische Ehepaar ist beiden Seiten ein Dorn im Auge. Auch die kleine Tochter Aïcha , die in der nächstgelegenen Stadt auf eine katholische Mädchenschule geht, ist Opfer dieser Ausgrenzungen.
Das Buch hat keine fortlaufende Handlung im klassischen Sinn. Es erzählt vielmehr chronologisch vom Leben der Familie, den harten Bedingungen, der Geldknappheit, aber auch den kulturellen Unterschieden der Ehepartner und den daraus folgenden Auseinandersetzungen, die durchaus mit Brutalität geführt werden. Gewalt gegenüber Frauen war eine Selbstverständlichkeit und selbst für westlich denkende und aufgeklärte moderne Marokkaner war es völlig normal, die eigene Ehefrau zu verprügeln und im Haus einzusperren.
Das Buch hat mir gut gefallen, auch wenn es kein 5 Sterne-Highlight war, dazu war mir der Erzählfluss nicht stringent genug. Aber es war interessant, etwas über das Leben in Marokko zu der damaligen Zeit zu erfahren, besonders im Hinblick auf das Leben der Frauen und ihre Unterdrückung und den Aufständen der Nationalisten, die die Unabhängigkeit von Frankreich forderten, weswegen ich auch eine uneingeschränkte Leseempfehlung geben kann.