Rezension (4/5*) zu Das Erbe der Macht von Andreas Suchanek

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Der Kampf gegen die Schattenfrau...

Seit über einem Jahrhundert verbirgt der Wall die magische Gesellschaft vor Menschenaugen, garantiert Friede und Gleichheit zwischen Menschen und Magiern. Doch in den Schatten tobt ein Krieg um die Vorherrschaft. Jenifer Danvers ist eine Lichtkämpferin. Als ihr Freund und Kampfgefährte stirbt, erwacht mit Alexander Kent ein neuer Erbe der Macht, der von ihr in die Welt der Magie eingeführt werden muss. Keiner von beiden ahnt, dass das Gleichgewicht der Kräfte außer Kontrolle geraten ist. Das Böse holt zum großen Schlag aus, um den Wall endgültig zu zerschmettern. Machtvolle Zauber, gefährliche Artefakte, uralte Katakomben und geheime Archive. Kämpfe mit den Lichtkämpfern und dem Rat des Lichts - Johanna von Orleans, Leonardo da Vinci und viele mehr –, um den Erhalt der Menschheit. (Klappentext)

Beeindruckende 2080 Seiten Fantasy! Das lässt sich nicht mal eben so zusammenfassen. 12 Bände der ersten Staffel der Reihe um Das Erbe der Macht liegen nun hinter mir, und darin geschieht so einiges.

Die Lichtkämpfer verfügen ebenso wie die Schattenkrieger über Magie, doch der Wall, der die Nimags (nichtmagische Menschen) vor den Zauberern schützen soll, drosselt sozusagen die Leistungsfähigkeit der Magier. Damit sind nicht alle einverstanden, und v.a. die Schattenkrieger setzen alles daran, dass der Wall fällt. Die Lichtkämpfer, unterstützt durch die Unsterblichen wie Johanna von Orleans, Einstein, Nofretete oder Edison, bilden den Gegenpol, doch haben sie oft Mühe, den Intrigen der Gegner etwas Passendes entgegenzusetzen.

Im Zentrum des Geschehens steht v.a. eine feste Gruppe von Lichtkämpfern: Jen, Alex, Max, Clara, Chloe, die Zwillinge Kevin und Chris und noch einige mehr müssen hier etliche Aufträge absolvieren und riskieren dabei mehr als einmal ihr Leben. Es dauert ein wenig, bis die Strukturen und Abläufe bei den Magiern beim Lesen klar werden, und auch, bis man die Charaktere einigermaßen kennt. Oder zu kennen glaubt. Spannende Passagen wechseln sich mit unterhaltsamen und frotzelnden Dialogen ab, was meist eine gute Mischung ergibt.

Und es dauert etwas, bis sich herauskristallisiert, dass die Schattenkrieger nicht das Hauptproblem der Lichtkämpfer sind. Es ist die mysteriöse Schattenfrau, die im Hintergrund ihre Fäden zieht - und zunehmend wird deutlich, wie weit im Voraus sie alles geplant hat. Im Grunde sind die Magier wie ihre Marionetten, denn meistens trifft genau das ein, was die Schattenfrau beabsichtigt. Wer die Schattenfrau ist, bleibt lange im Ungewissen, und als es klar wird, sind alle fassungslos - einschließlich des/die Lesers:in. Es scheint keine Chance zu geben, diese skrupellose und gewaltbereite Frau aufzuhalten auf dem Weg zur absoluten Macht - der Allmacht. Und doch müssen die Lichtkämpfer genau das versuchen!

Der Schreibstil ist fließend und eingängig, und was mir gefallen hat, waren die zahllosen Twists im Plot, so dass die Geschichte immer wieder Überraschungen bot und bis zum Schluss nicht wirklich vorhersehbar war. Auch dass es in den einzelnen Bänden stets verschiedene parallel laufende Handlungsstränge gab, empfand ich als positiv, denn das förderte Tempo und Spannung - kleine und große Cliffhanger inklusive. Mit jedem Fragezeichen, das sich auflöst, lässt Andreas Suchanek zudem gleich wieder weitere Fragezeichen aufploppen, so dass die Neugierde beim Lesen stets eher wächst denn abflacht.

Der Hauptgrund, weshalb ich für diese Gesamtausgabe nur knappe vier Sterne vergebe, liegt darin, dass Andreas Suchanek sich nicht scheut, sich großzügig bei anderen Fantasywerken zu bedienen, allen voran bei Harry Potter. Zahllose Ähnlichkeiten stießen mir doch immer wieder sauer auf, auch wenn der Autor letztendlich durchaus eine eigene Welt kreiert hat. An manchen Stellen lässt Andreas Suchanek seine Charaktere selbst darauf hinweisen, dass ihnen einiges aus HP bekannt vorkommt - das entschärft die Situation vielleicht etwas, ändert aber nichts an der Tatsache an sich.

Immer wieder überraschend fand ich auch, dass die Unsterblichen hier oft deutlich weniger souverän und vorausschauend agieren als ich es erwartet oder erhofft hätte, ja, zuweilen richtiggehend begriffsstutzig scheinen. Auch konnte ich die ewige Geheimniskrämerei einiger nicht mehr nachvollziehen - hätte man rechtzeitig miteinander geredet, wäre einigen einiges erspart geblieben. Manche Entwicklungen waren für mich auch nach wiederholtem Lesen leider nicht wirklich nachvollziehbar, und der sich sehr häufig wiederholende Ablauf: Gefahr -> eigentlich gibt es kein Entkommen mehr -> jemand stirbt gerade -> wird dann doch irgendwie gerettet, wurde für mein Empfinden eindeutig überstrapaziert, da boten diese Szenen für mich irgendwann nichts Spannendes mehr. Rühmliche Ausnahme bot da ausgerechnet das Staffelfinale - für mich die einzige emotionale Szene in der gesamten ersten Staffel, v.a. aufgrund einer Entscheidung von einem der Unsterblichen.

Doch die genannten negativen Aspekte sollen nicht die Tatsache leugnen, dass Andreas Suchanek hier eine gelungene Mischung aus Action, Spannung, fantastischen Einfällen, dunklen Ahnungen, neugierig machenden Informationshäppchen, interessanten Figuren, unterhaltsamen Dialogen und einem gehörigen Quäntchen Humor präsentiert, die zu unterhalten weiß. Und neugierig auf die Fortsetzung ist man nach einem megafiesen Cliffhanger ganz am Ende der Staffel ja sowieso. Also womöglich irgendwann ein Wiederlesen...


© Parden