Rezension (4/5*) zu Barbara stirbt nicht: Roman von Alina Bronsky

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Barbara stirbt nicht: Roman von Alina Bronsky
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Herr Schmidt lernt kochen...

Walter Schmidt ist ein gefühlsarmer Despot. Auch als Rentner kommt er nicht auf die Idee, sich mit seiner Frau Barbara die Aufgaben im Haushalt zu teilen. Frauensache, ganz klar. Als Barbara aber plötzlich im Bett liegen bleibt, kann Herr Schmidt es gar nicht fassen. Wer soll ihm nun seinen Kaffee kochen? Nun, er lernt es mühsam und durch Fehlschläge, und als die ewigen Vorräte in der Gefriertruhe sich dann doch allmählich dem Ende zuneigen, bemüht sich Herr Schmidt sogar, das Kochen zu erlernen. Die Tipps des Fernsehkochs Medinski sowie die Follower auf dessen Facebook-Seite unterstützen ihn bei diesem Prozess.

Walter Schmidt ist ein konventionell eingestellter, festgefahrener Charakter mit klaren Haltungen und Einstellungen gegenüber Gott und der Welt. Die Rollenverteilung im Haushalt ist für ihn ebenso unumstößlich wie seine Meinung über Obdachlose und Ausländer. Auf mich wirkte er durch seine Borniertheit und seine Unfähigkeit in so vielen alltäglichen Dingen (Kaffeekochen, hallo?!) deutlich älter als er war, irgendwie wie aus einer anderen Generation stammend. Ich habe mir jedoch sagen lassen, dass es solche Typen durchaus auch heute noch geben soll. Schlimm genug.

Was ihn außerdem kennzeichnet ist seine Unfähigkeit und sein Unwille, über seine Gedanken und Gefühle zu sprechen. Er stößt seine Bekannten wie seine Kinder regelmäßig vor den Kopf und scheint dies entweder nicht zu registrieren oder aber es ist ihm vollkommen egal. Barbaras Bettlägerigkeit führt jedoch dazu, dass seine Kinder nun häufiger auftauchen als in den Monaten und Jahren davor – ein Umstand, mit dem sich Herr Schmidt nur ungern arrangiert. Doch auch wenn er sich offenbar weigert, über den Zustand seiner Frau auch nur nachzudenken, geschweige denn mit jemand anderem darüber zu sprechen, zeigen seine hilflosen Bemühungen zuweilen doch das Ausmaß seiner Sorge und den Versuch, Barbara etwas Gutes zu tun.

Der Leser / die Leserin erfährt von den Geschehnissen ausschließlich aus der Perspektive des Herrn Schmidt, so dass der Umstand, dass er manches nicht wahrhaben und nicht wirklich hinschauen will, einiges mehr erahnen als wirklich erkennen lässt. Ein Sympathieträger wird Herr Schmidt auch am Ende nicht sein, zumal sich im Verlauf einiges aus seiner Vergangenheit entpuppt, was ihn durchaus in keinem positiven Licht stehen lässt. Aber es findet ein langsamer Wandel statt – nicht vom Saulus zum Paulus, oh nein, aber das wäre ja auch kaum glaubwürdig, aber immerhin zu einem Menschen, der beginnt, mal nicht mehr nur sich selbst wahrzunehmen.

Sprachlich ist der Roman recht einfach gehalten, der Schreibstil ist flüssig zu lesen. Dennoch gelingt es der Autorin, in wenigen Sätzen viel und auch etliches zwischen den Zeilen zu transportieren. Insgesamt fand ich den Roman weniger berührend und warmherzig als ich erwartet (und erhofft) hatte, humorvoll ist er dagegen an einigen Stellen durch die überzogene Darstellung schon. Zwischen Lachen und Kopfschütteln ist alles dabei. Dabei sorgt die Gesamtsituation jedoch meist dafür, dass einem das Lachen gleich wieder im Halse stecken bleibt.

Alina Bronsky gelingt der Spagat zwischen ernsthafter Literatur und Humor an den meisten Stellen gut, ich persönlich hätte mir nur mehr Warmherzigkeit à la Ove (aus „Ein Mann namens Ove“ von Fredrik Backman) gewünscht.


© Parden