Rezension Rezension (4/5*) zu Aus meinem Leben von Franz Michael Felder.

Serapion

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5. Juli 2014
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Im Süden
Idylle? Fehlanzeige!

"Aus meinem Leben" sind die Erinnerungen des Voralberger Schriftstellers Franz Michael Felder, den wahtscheinlich kaum jemand kennt - daran wird wahrscheinlich auch einen Artikel in der österreichischen Literaturzeitschrift VOLLTEXT wenig ändern. Aber so konnte ich das Buch kennen und den Autor schätzen lernen.

Felder berichtet vom Leben als Bergbauer Mitte des 19. Jahrhunderts mit all den Herausforderungen eines kargen Daseins in einem kleinen Bergdorf. Das hat aber weder etwas von der Idylle alpiner Heimatliteratur noch von weltabgewandter Darstellung des harten Lebens der Bauern ohne Ausweg und Alternativen. Denn das Besondere dieser Erinnerungen ist, dass hier jemand schreibt, der aus seinem Leben mehr machen will, der neben seiner täglichen Arbeit beginnt zu lesen - Klassiker, die Gartenlaube... und dann auch noch beschließt zu schreiben. Doch damit wird der Autor zum Außenseiter, kritisch beäugt, ja teilweise angefeindet. Denn das passt nicht in eine Welt, die von ganz realen Bedürfnissen, Nöten und Anforderungen geprägt ist. Vor allem, weil man in Teilen der Bevölkerung den "Intellektuellen" die Schuld am Krieg gegen Italien gab.

Felder beschreibt daher auch seinen eigenen Kampf mit diesem Anderssein, dem sich immer wieder in Frage stellen und der Unsicherheit, ob die anderen nicht doch recht haben könnten.
Und erzählen diese Erinnerungen auch noch von einer wundervollen doppelten Liebesgeschichte... Die Liebe zur Literatur und zu einer Frau. Um so trauriger ist es zu wissen, dass Felders Frau nach knapp acht Jahren Ehe starb und er - nur 30 Jahre alt - kurz darauf auch. Felder war kein Heimatschriftsteller, er verklärte nichts - im Gegenteil: Er versuchte, soziale und bildungspolitische Reformen anzustoßen und trat mit Gründung einer Partei in Widerstand zur herrschenden Monarchie. So wurde er auch Ehrenmitglied des Leipziger Germanistenclubs - und das als Voralberger Landwirt! Neben seinen Erinnerungen schrieb Felder einen Roman und Texte, die sich alle mit seiner Voralberger Umgebung beschäftigen. Eine der interessantesten Entdeckungen des Buchmarktes des letzten Jahres!