Rezension Rezension (3/5*) zu Über uns: Roman von Eshkol Nevo.

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.113
49
München
Buchinformationen und Rezensionen zu Über uns: Roman von Eshkol Nevo
Kaufen >
Freud und die unvollendete Geschichte


Wer sind meine Nachbarn eigentlich? Und könnte es hinter der schönen Fassade vielleicht doch nicht so schön aussehen? Hinter drei dieser Fassaden blickt der israelische Autor Eshkol Nevo in seinem knapp 300 Seiten langen Roman „Über uns“.

Drei Hausbewohner eines Mietshauses in einem Vorort der Millionenmetropole Tel Aviv erzählen ihre und die Geschichte ihrer Familien. Gemeinsam ist allen drei, dass sie auf irgendeine Weise emotional beschädigt sind.

In der ersten Etage wohnt Arnon mit Frau und Kindern. Die Tochter wird regelmäßig den alten Nachbarn anvertraut, deren eigene Kinder schon lange ausgezogen sind und die sich gerne des Nachbarmädchens annehmen. Nach einem Zwischenfall steht plötzlich der Verdacht des Kindesmissbrauchs im Raum, der von Seiten der Polizei zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit verneint wird, als Möglichkeit aber immer im Raum stehen bleibt.

Eine Etage darüber lebt die Familie eines erfolgreichen Geschäftsmannes, der kaum zuhause ist. Ehefrau Chani kümmert sich um die Kinder. Sie ist bedrückt, verunsichert und kann die an sie gestellten Aufgaben kaum meistern. Sie redet sich alles in einem Schreiben an ihre Jugendfreundin von der Seele.

Und schließlich Etage drei: dort ist die pensionierte Richterin Dvorak zuhause. Sie ist verwitwet. Nach und nach erfahren wir, dass sie vor die schreckliche Wahl gestellt wurde sich zwischen ihrem Sohn, der irgendwie vom Weg abgekommen ist, und ihrem überkorrekten Mann zu entscheiden. Jetzt, wo sie alleine ist, hinterfragt sie viel. Hätte sie nicht öfter auch privat Position beziehen sollen, sie, die doch beruflich immer Position beziehen musste?

Dieser dritte Teil ist der mit Abstand beste und anrührendste. Ein wenig ausgebaut hätte die Geschichte um Dvorah und ihr ernsthaftes Bemühen frühere Fehler zu korrigieren durchaus ein eigenständiger und interessanter Roman werden können.

Wer aber als Leser auf die Klammer wartet, der die drei Erzählungen zum Ende hin doch noch zu einer Romaneinheit verbindet, der wartet vergeblich.

Freud soll mit seinem Ich, Über-Ich und Es Pate gestanden haben für den Aufbau der Geschichte in drei Etagen. So weit, so gut und sperrig. Man hat als Leser manchmal den Eindruck den Vorspann eines Films zu sehen, der dann aber nicht kommt. Schade.


von: Un-Su Kim
von: Daniel Kehlmann
von: David Baldacci