Rezension Rezension (3/5*) zu Nachts ist unser Blut schwarz: Roman von David Diop.

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Buchinformationen und Rezensionen zu Nachts ist unser Blut schwarz: Roman von David Diop
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Verstörender Antikriegsroman.

Wie lange wird es neue Romane über den Ersten und den Zweiten Weltkrieg geben? Vielleicht solange, bis alle Menschen verstanden haben, dass Krieg unmenschlich ist und so lange bis keine Nation mehr behauptet, sie könne einen „sauberen Krieg“ führen.

„Nachts ist unser Blut schwarz“ ist nicht David Diops erstes veröffentlichtes Werk, wie oft geschrieben wird, denn schon 2012 debütierte er mit dem Roman „1889, l’attracion universelle“, einem Roman über die Weltausstellung in Paris. Es wäre schön, wenn auch dieser bald übersetzt würde!

Doch mit seinem zweiten Roman „Nachts ist unser Blut schwarz“ erregte David Diop große Aufmerksamkeit in Frankreich und das Buch gewann 2018 den Prix Goncourt des lycéens, welches ein sehr hübscher kleiner Preis ist: Schulklassen wählen unter den nominierten Romanen zum Prix Goncourt denjenigen aus, der ihnen am meisten zusagt. So etwas sollen wir auch für den Deutschen Buchpreis haben!

Dina Netz, Rezensentin im wdr3, schreibt, ich zitiere sie hier, denn man kann es nicht besser sagen:

„Die französische Literatur und Geschichtsschreibung haben in den letzten Jahren nach und nach in die finstersten Keller der französischen Geschichte geleuchtet: Frankreich steht nicht länger als sauberer Sieger der Weltkriege da, als der es sich gern gesehen hat. Die Gräueltaten, die französische Soldaten im Algerienkrieg verübten, sind benannt. Der senegalesisch-französische Schriftsteller David Diop hat nun noch ein weiteres, wohl absichtsvoll vergessenes Kapitel der französischen Geschichte des 20. Jahrhunderts aufgedeckt: das der Schwarzafrikaner, die im Ersten Weltkrieg in der französischen Armee dienten.“

Über den Algerischen Krieg habe ich „Adieu Paris“ von Daniel Anselme in einer Neuauflage von 2017 gelesen, einen Roman, den ich hier, quasi nebenbei, sehr empfehlen möchte. Es ist allerdings mit qualitativ hochwertigen französischen Büchern ähnlich wie mit französischen Filmen, sie sind nicht für jedermann und in der Regel von depressiver Stimmung.

Während ich „Adieu Paris“ bedenkenlos empfehle, halte ich mich bei einer Empfehlung von „Nachts ist unser Blut schwarz“ zurück. Das kleine, nicht einmal 200 Seiten lange Buch, hat mich einigermassen verstört.

„Bei der Wahrheit Gottes ….“ pausenlos beschwört Alfa Ndiaye in einem langen schleifenhaften Monolog, dass er die Wahrheit spricht. Und dass er zu Gott so gut spricht wie zu den Menschen und sich selbst. Dabei weiß er nicht einmal mehr, was die Wahrheit überhaupt ist. War es richtig, seinem Herzensfreund Medemba nicht zum Tod zu verhelfen, als diesem im Schlachtfeld der Bauch aufgeschlitzt wurde und es keine Rettung mehr gab. Nein, sagt sich Alfa und wirft die erlernten ethischen Grundsätze von sich, sie helfen nicht im Krieg. Von nun an wird er zur Bestie.

Der lyrische Erzählton steht in scharfem Gegensatz zum Erzählten. Das muss man erst einmal aushalten.

Was ich an dem Roman mag, ist sein Thema. Den von Frankreich als Kolonialmacht verheizten Schwarzafrikanern im Ersten Weltkrieg eine Stimme zu geben, ist richtig.

Ich mag auch seine Erzählart. Mir hat das lyrische Ich zugesagt. Die monotonen Wiederholungen spielen den Ohrwurm an Gedanken ab, die Alfa im Kopf herum gehen. Er ist besessen.

Was ich an dem Roman nicht mag, ist sein, trotz allem, voyeuristischer Anteil.

Und was ich an dem Roman vermisse, ist, dass mir seine Kritik nicht weit genug geht.

Fazit: Ein verstörendes Werk, literarisch bedeutend aufgrund seiner Machart und Thematik, aber doch in seiner Antikriegshaltung nicht weitergehend als bis zur Darstellung dessen, wie Krieg eben ist.


Kategorie: Anspruchsvolle Literatur. Prix Goncourt des lycées, 2018
Aufbau Verlag, 2019

von: Lilly Gollackner
von: Christoph Poschenrieder
von: Joachim B. Schmidt