Rezension Rezension (3/5*) zu Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte: Roman von Michael Hugentobler.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte von Michael Hugentobler
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Ein exzentrischer Reisender

Der Schweitzer Journalist Michael Hugentobler, der nach Angaben seines Verlages (dtv) die ersten 13 Jahre seines Erwachsenenlebens auf Weltreise verbrachte, hat 2018 seinen ersten Roman veröffentlicht: "Louis oderr der Ritt auf der Schildkröte."
Der Roman erzählt die Geschichte des sehr exzentrischen Reisenden Louis de Montesanto. Diese Romanfigur wiederum bezieht sich auf eine historische Person als Vorlage, einen gewissen Louis de Rougemont, einen Hochstaber der im 19. Jahrhundert in London berühmt wurde mit seinen - wie sich später herausstellte - erfundenen Geschichten über sein Leben als Häuptling bei den Aborigines in Australien. Dabei war dieser historischer Louis lediglich Inspiration für den Roman, es handelt sich also nicht um einen Versuch das reale Leben dieses Mannes nachzuempfinden, sondern um eine fiktive Geschichte mit ebenso erdachten Charakteren.

Als Leser erleben wir den Lebensweg und insbesondere die verschiedenen Reisestationen des Protagonisten. Dies nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern mit zeitlichen Rück - und Vorblenden.
Wir erfahren, dass Louis als Hans Roth in einem kleinen Schweitzer Dorf geboren wurde und dort in ärmlichen und vor allem lieblosen Verhältnissen aufgewachsen ist. Hans war kleinwüchsig mit einem unpropotional großen Kopf, ein Grund dafür, dass er von seiner Mutter und von Gleichaltrigen abgelehnt wurde. Schon mit 13 Jahren läuft er von zuhause weg und wird ab da immer unterwegs sein. Er lässt sich treiben, nimmt jede Gelegenheit, die sich ihm zufällig bietet war, um wieder aufzubrechen. Dabei gelangt er als Butler des britischen Gouverneurs nach Perh, Australien und dort wiederum, eigentlich wieder zufällig zu einem Stamm der Ureinwohner Australiens. Später wird er die Erlebnisse bei den Aborigines mit Lügen und Übertreibungen ergänzen und in London an Zeitschriften verkaufen, bis sein Schwindel auffliegt.

Um was geht es in diesem Roman, was genau wird thematisiert?
Aus meiner Sicht zunächst einmal um die Person Louis, um seine Gründe für das Verlangen immer weiter zu ziehen, ständig Bindungen abzubrechen, sich über Regeln hinwegzusetzen, Andere zu schikanieren und vor allem seine Neigung zu lügen bzw. Phantasiegeschichten zu erzählen. Es ist schwer diesen Protagonisten sympathisch zu finden. Dadurch, dass er in egoistischer Weise immer wieder seinem Bedürfnis auf Reisen zu gehen, nachgibt, verletzt er ja z.B. auch seine beiden Kinder die er mit zwei verschiedenen Frauen hat. Anderseits wird in dem Roman auch die Zerrissenheit von Louis gut dargestellt. Das wiederum hat mich persönlich mit seinem unsympathischen Charakter etwas versöhnt. Wir lesen auch über die Einsamkeit, die er als Preis für seine Unabhängigkeit zahlen muss. Zuletzt sehnt er sich nach seiner Tochter. Hier habe ich auch einen tragischen Moment in der Figur des Louis de Montesanto empfunden: Nie mit geliebten Menschen länger zusammen sein zu können, als Preis für seinen Egoismus.

Gegen Ende des Romans wird ein weiteres Thema des Romans immer zentraler: Die Frage nach Wahrheit und Fiktion. Wie Michael Hugentobler zunächst die Begeisterungsstürme des Londoner Publikums über die Lügengeschichten und dann - als der Schwindel aufgedeckt wurde- die Reaktionen der Presse, und verschiedener Interessengruppen darstellt, das macht Spaß zu lesen. Plötzlich wollen alle gewusst haben, dass das Alles nicht wahr gewesen sein kann. Dabei werden auch Dinge als Absurd dargestellt, die vielleicht doch so stattgefunden haben könnten. Man wird also als Leser selbst aufgefordert über Lüge und Wahrheit nachzudenken.

Zuletzt noch eine subjektive Bemerkung zum Erzählstil. Der Autor schreibt in kurzen, nüchternen Sätzen, die sich für mich nicht immer angenehm zu einem Gesamtbild verbunden haben. Teilweise wirkt die Geschichte etwas unverbunden, was auch daran liegt, dass zumindest in der ersten Hälfte des Buches in jedem Kapitel ein anderer Zeitabschnitt, ein anderer Ort oder auch eine andere Person erscheint. In unserem Lesekreis haben einige dies allerdings als eher spannend und angenehm empfunden. Für mich bleibt vom literarischen her eher der Eindruck einer nicht ganz harmonischen Geschichte.

Es fällt mir schwer ein Fazit zu ziehen, denn ich finde der Roman hat Stärken und Schwächen.





 
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