Rezension Rezension (3/5*) zu Lied der Weite von Kent Haruf.

Pedi

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11. Januar 2018
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Plainsong

Ich muss zugeben, dass mich Kent Harufs im Frühjahr 2017 erschienener und begeistert bejubelter Kurzroman „Unsere Seelen bei Nacht“ enttäuscht hat. Was als Schlichtheit und Dezenz gelobt wurde, war für mich nur Belanglosigkeit und das berührende Thema erreichte mich auch nicht, konnte ich doch gar nicht nachvollziehen, warum sich erwachsene, gestandene Menschen durch ihre Umwelt so in ihrem Leben einschränken lassen. Da Kent Haruf auch in den USA so gelobt wird, wollte ich ihm gerne nochmal eine Chance einräumen (oder auch mir, je wie man es betrachtet). Und um es gleich zu sagen, mit „Lied der Weite“ klappte es besser, auch wenn das Buch ähnlich gestrickt ist.
„Plainsong“ im Original, weist es sowohl auf die „Great Plains“ Amerikas, die großen Weiten, in denen das kleine Holt/Colorado, in denen Harufs Romane spielen angesiedelt sind, hin, als auch auf die Liedform des Chorals, einfache, einstimmige Melodien aus der Kirchenmusik. Solche einfachen Melodien, von der schwangeren Teenagerin Victoria, der Lehrerin Maggie Jones, dem von seiner Frau verlassenen Tom Guthrie und den McPherons Brüdern setzt Haruf hier zusammen und singt das große Lied von der Vereinzelung und Vereinsamung, vom Elend des Schweigens und von der Hoffnung und Erlösung durch Gemeinschaft und Familie, und sei sie auch eine selbst zusammengestellte. Wie gesagt, die Geschichte überzeugte mich deutlich mehr als das Vorgängerbuch, vielleicht, weil sie sich auch eindeutig mehr Zeit nimmt. Im Fazit ist aber auch sie mir in vielen Passagen zu einfach gestrickt und auch ein wenig rührselig.