Rezension Rezension (3/5*) zu Im ersten Licht des Morgens: Roman von Virginia Baily.

Momo

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10. November 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Im ersten Licht des Morgens: Roman von Virginia Baily
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Den Ansatz der Thematik fand ich gut

Das Buch hat leider nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen. Es war mir definitiv zu klischeehaft und oftmals zu unpolitisch (siehe unten), was die äußeren Personenbeschreibungen betrifft, und was das kulturelle Leben diverser Nationen anbelangt.

Am Anfang war ich von der Geschichte recht angetan gewesen, aber es flachte ziemlich schnell wieder ab. Ich hatte gedacht, ich würde mehr über die italienischen Juden erfahren, mehr über den Faschismus in Italien in differenzierter Form. Die ganze Geschichte aber las sich auf den folgenden Seiten recht zäh und wurde dadurch schnell langweilig.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

Zitat:
"Chiara Ravello führt nach außen ein erfülltes Leben. Sie arbeitet als Übersetzerin in Rom und umgibt sich mit Freunden, gutem Essen, Theater und Musik. Nur wenige Gegenstände in ihrer Wohnung erinnern an Daniele, den sie aufzog und liebte wie ihren eigenen Sohn. Kaum jemand weiß von dem Schmerz, den sein Verlust für sie bedeutet. Erst als eine junge Frau aus Wales in Rom auftaucht und behauptet, Danieles Tochter zu sein, beginnt Chiaras Fassade zu bröckeln. Marias Ankunft führt Chiara weit zurück in ihre Vergangenheit, ins Kriegsjahr 1943, und weckt in ihr eine lang vergrabene Sehnsucht nach Versöhnung."

Die 16-jährige englische Maria erfährt, dass ihr leiblicher Vater Italiener ist. Sie gerät dadurch in eine Identitätskrise und begibt sich auf Ahnen- und Spurensuche. Sie erfährt, dass der leibliche Vater Daniele Levi heißt und in Rom lebt. In dieser Krise kappt sie den Kontakt zu ihrem Ziehvater und dessen Eltern. Sie bezeichnet sie alle als Ex. Exvater, Exgroßmutter … Sie besteht darauf, nach Italien zu reisen, um ihren Vater zu suchen. Maria nimmt Kontakt mit Chiara auf, von der sie glaubt, sie habe Daniele bei sich beherbergt, ohne zu ahnen, dass Chiara den Jungen aus den Fängen der deutschen SS-Männer in Italien befreit hat. Chiara selbst befindet sich ebenfalls in einer Krise, da sie Daniele wie ihren eigenen Sohn abgöttisch geliebt hat, der aber unauffindbar verschollen ist. Daniele führt ein schweres Leben. Ihn begleitet lebenslang ein schweres Trauma, als er 1943 völlig unvorbereitet und ganz plötzlich von seiner Familie weggerissen wurde. Die Familie Levi wurde von den Nazis aus der Wohnung getrieben und auf einen Laster gekarrt, als Chiara Zeugin dieser grauenvollen Szene wird. Nonverbal und nur mit den Augen kommuniziert sie mit Danieles Mutter, die ihr mit einem Blick zu verstehen gibt, Daniele zu retten. Wie Chiara es schafft, Daniele von dem Karren loszubekommen, lasse ich offen und ist dem Buch zu entnehmen.

Der siebenjährige Junge erleidet ein schweres Trauma, aus dem er sich nicht wirklich erholen konnte. Er ist zu jung, um diese schwere existentielle Situation zu begreifen. In den folgenden Jahren versucht er sein Trauma mit Hilfe von Drogen zu dämmen und entwickelt sich zu einem schwerumgänglichen Menschen, der auf Abwege gerät.

Chiara wird durch Marias Besuch gezwungen, sich der Vergangenheit, die recht unangenehm ist, zu stellen. Maria stellt jede Menge Fragen, die Chiara lästig sind und so versucht sie Maria abzulenken, indem sie sie mit Projekten vollpackt, damit Maria nicht mehr so viel Zeit hat, Fragen zu stellen. Maria spürt zwar, dass irgendwas mit Chiara und Daniele nicht stimmt, sie ahnt aber noch nicht, was sich hinter der Geschichte zwischen ihrem leiblichen Vater, ihrer Mutter und Chiara verbirgt. Sie idealisiert ihren Vater, versucht römische Gene in sich zu finden. Chiara merkt, dass sie Maria, die ein Recht hat, ihren Vater kennenzulernen, nicht mehr lange hinhalten kann.

Wer mehr über diese Geschichte erfahren möchte, so verweise ich unbedingt auf das Buch.


Mein Fazit zu dem Buch?

Man hat es hier mit mehreren Epochen zu tun. Die Zeit im Zweiten Weltkrieg, die Nachkriegszeit und die Zeit der Hippies. Die Abläufe werden im Wechsel erzählt, was mir recht gut gefallen hat. Doch die Zeit der Hippies, die Zeit in den späten 1960er Jahren und Anfang der 1970er kam politisch überhaupt nicht rüber. Auch in Italien gab es die sogenannte Studentenrevolte, auch wenn sie sich von der der deutschen unterschied. Darüber hat die Autorin leider nichts geschrieben, über die Intellektuellen Italiens. Diese Zeit beschreibt die Autorin recht politiklos. Auch diese Details haben mir gefehlt. Stattdessen füllt sie diese Lücken mit klischeehaften und stereotypen Alltagsbeschreibungen.

Die Autorin beschreibt die Menschen so, als wären sie genetisch mit ihren Nationen verbunden. Plötzlich ist Maria zur Hälfte Engländerin und zur Hälfte Italienerin. Halb halb? Wie soll ich mir das vorstellen? Auch wenn diese Vorstellung gesellschaftlich gängig ist, tue ich mir damit sehr schwer, weil diese Betrachtung falsch und naiv ist. Außerdem ist es wissenschaftlich bewiesen, dass die Gene keinerlei Einfluss auf die Herkunft haben, sondern dass die Erziehung diese Aufgabe übernimmt. Der Mensch unterscheidet sich vom Tier darin, dass er alles erlernen muss. Sprache, soziale- kulturelle und gesellschaftliche Werte werden einem Kind von Beginn der Geburt von seinen Bezugspersonen anerzogen. Das Kind lernt es nicht von sich aus. Was uns genetisch mitgegeben wird, das sind menschliche Beschaffenheiten, wie z.B. Geschmäcker, Talente, Haarfarbe etc. Außerdem haben wir nur vier verschiedene Blutgruppen und diese reichen nicht aus, die vielen Nationalitäten eines Menschen zu bestimmen.

Wegen dieser Kulturunreflektiertheit und wegen der mangelnden politischen Recherchen gebe ich dem Buch acht von zwölf Punkten.

Mich hat auch das Interview auf der Verlagsseite nicht wirklich überzeugt.