Rezension (3/5*) zu Ich und Jimmy von Clarice Lispector

Emswashed

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9. Mai 2020
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ich und Jimmy von Clarice Lispector
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Wie ein Strauß seltsamer Rosen,

...so möchte ich die 30 Kurzgeschichten in "Ich und Jimmy" von Clarice Lispector, nicht ohne Hintersinn, beschreiben.
Denn die Rosen sind es, die als lose verbindendes Element in den Geschichten, der 1920 in der Ukraine geborenen und 1977 in Rio verstorbenen Schriftstellerin, ab und an auftauchen. Mal sind es die gestohlenen aus Nachbars Garten, mal ist es das frisch erworbene Gebinde, dass sogleich weitergegeben wird, weil sich die Besitzerin ihrer nicht würdig empfindet. Mal ist es die vom Leben gelangweilte, wartende Ehefrau, die sich um jede Befindlichkeit, bis ins Absurde steigende, Gedanken macht, oder aber das junge, verschüchterte Mädchen, die sich als zu laut und auffallend empfindet und damit das Böse heraufbeschwört.
Lispector zeigt uns so unterschiedliche Frauenfiguren, von der Adoleszenz bis zur Seneszenz, von der keuschen Unschuld bis zur Stripperin im Nachtclub, der heimlich verliebten Schülerin, bis zur abkanzelnden Jubilarin. Erst zum Schluss wird deutlich, wie sehr ihr eigener Lebenslauf Einfluß auf diese Geschichten, gemischt mit Fabulierlust und symbolischen Überzeichnungen, gehabt hat. Die zwei Frauen im Zug, sich gegenübersitzend, jede in ihren Gedanken versunken, mag die Sprachlosigkeit aufzeigen, die Lispector vielleicht empfunden hat, als sie ihrem Eheman in die Fremde gefolgt ist.

Eines aber bleibt den Firguren gleich. Sie sind sämtlich aus unserer Zeit gefallen und muten mit ihrem Gebaren exotisch an. Sie wollen nicht so recht in Zeiten der Emanzipation passen und brechen doch überraschenderweise die Konventionen. So unterschiedlich die Geschichten sind, so sehr muss man sie aber auch in ihrer Gesamtheit beurteilen. Die vom Verlag übernommene folgerichtige Chronologie der Texte wird deutlich, wenn die Protagonistin aus ihrem Geschehen hinaustritt, sich über ihre Schöpferin (Lispector) beschwert und sogar auf eine vorangegangene Geschichte Bezug nimmt.

Unvertraut mit Lispectors sonstigem Schaffen, fiel es mir stellenweise recht schwer, dabeizubleiben, sie zu verstehen. Zu absurd schien mir dieses und zu banal jenes. Doch ein paar Perlen waren zu finden und mit "Tag um Tag", einem Tagebucheintrag, gibt uns die Autorin selbst die Erlaubnis "die Literatur nicht so wichtig zu nehmen". Also, alles gut!

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