Rezension Rezension (3/5*) zu Ich bin Charlotte Simmons von Tom Wolfe.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ich bin Charlotte Simmons von Tom Wolfe
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Demontage eines amerikanischen Symbols

Charlotte Simmons ist endlich am Ziel. Sie, die in ihrer provinziellen Heimat im tiefsten North Dakota immer Außenseiterin war, da sie als intelligente „Streberin“ einfach nicht dazugehören mochte zu dem Kreis der Gleichaltrigen, deren Leben sich im Wesentlichen dreht um Feiern mit Alkohol- und Sexerfahrungen. Sie entkommt dieser engen Welt und hofft auf ein Eintauchen in gleichgesinnte Kreise als sie mit einem Stipendium an eine der angesehensten Universitäten der USA – Dupont – kommt. Doch was sie erwartet ist nicht etwa ein universitäres Leben des Geistes, sondern ein Leben bestehend aus Saufgelagen und sexuellen Ausschweifungen, gegen die das heimatliche pubertäre Ausprobieren nur ein sanfter und harmloser Abklatsch war.
Auf mehr als 900 Seiten schildert uns Tom Wolfe, den ich bisher durch sein „Fegefeuer der Eitelkeiten“ kannte, das Leben der Charlotte Simmons während ihres ersten Universitätsterms, in dem sie hin und hergerissen ist, zwischen dem Versuch, sich selbst treu zu bleiben, und dem Trieb, dazuzugehören. Immer mehr geht ihr das Vermögen abhanden, gegen den Druck der Gruppe immun zu bleiben. Das führt dazu, dass sie sich mit den falschen Typen einlässt und eine tiefe Erniedrigung erleiden muss. Cool sein oder fachlich gut sein? Für Charlotte scheint das in Dupont nicht in Übereinstimmung zu bringen sein. Die universitären Leistungen bleiben dabei auf der Strecke und die einstmalige schulische Lichtgestalt der Blue Ridge Mountains kehrt zu Weihnachten in tief depressiver Stimmung zu ihren Eltern und Freunden zurück und fühlt sich moralisch und fachlich vollständig gescheitert.
Doch wer ist hier tatsächlich gescheitert? Die Person oder die Institution?
Tom Wolfe belässt es da nicht bei einer unvollkommenen Abrechnung: die Eliteuni ist alles andere als das, was nach außen so leuchtend scheinen mag.
- Die Absolventen, die direkt von den gut bezahlenden Investmentbanken angeheuert werden, kommen dahin in den wenigsten Fällen durch eigene Leistung. Vielmehr stecken dahinter elterliche Beziehungen und / oder direkte Korruption.
- Die Sportprogramme, mit denen die Uni nach außen hin den größten Eindruck machen kann, zeigt nach innen hin nur, dass das Miteinander zwischen sportlicher und fachlicher Leistung in den Spitzensportlern nur schöner Schein ist. Durch extra eingerichtete „Deppenkurse“ und ihnen unter die Arme greifende Tutoren wird den Sportlern ermöglicht, universitäre Leistungen zu generieren, die ihnen am Ende der Laufbahn einen Abschluss erlauben. Was der dann allerdings wert sein kann, …???
FAZIT:
Das Thema auf der Hälfte der Seiten behandelt, hätte mich wirklich gepackt und fesseln können. Aber allzu oft ergeht sich der Roman in Längen über die inneren Kämpfe der Heldin und ihre eher trivialen Partyerlebnisse. Gleichwohl zeigt Tom Wolfe auch hierbei, dass er ein brillanter Erzähler ist. Und so blieb ich mit einigen tiefen Zweifelwellen dem Roman bis zum Ende treu. Und gebe ihm am Ende 3 Sterne.


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