Rezension Rezension (3/5*) zu Ich, Antoine: Roman von Julie Estève

MRO1975

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11. August 2018
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Eine Geschichte ohne Botschaft


Antoine ist geistig zurückgeblieben. Von den Bewohnern seines Heimatdorfes wird er deshalb als Dorftrottel abgestempelt. Außerdem hält man ihn allgemein für einen Mörder, weil er vor 29 Jahren die 16jährige Florence im Wald getötet haben soll. Als Antoine aus dem Gefängnis entlassen wird und in sein Dorf zurückkehrt, wird er daher allgemein gemieden und bleibt allein. Antoine ernennt daher einen gebrauchten Plastikstuhl zu seinem neuen Freund und erzählt ihm seine Geschichte und das, was damals wirklich geschehen ist.

Den Aufhänger des Buches fand ich so reizvoll, dass ich mich zur Lektüre dieses Buches für eine Leserunde angemeldet habe. Stilistisch ist der kleine Roman – er hat nur 158 Seiten – durchaus gelungen. Denn bis auf das erste und das letzte Kapitel wird die Geschichte ausschließlich aus der Sicht Antoines erzählt. Das bringt es mit sich, dass sich der Leser in den Kopf von Antoine hineinversetzen muss und all seine oft wirren Gedanken mitbekommt. Dadurch, dass man als Leser die Gedankenwert von Antoine nicht immer versteht und vieles erst sortieren und bewerten muss, wird die kleine Kriminalgeschichte interessant.

Davon abgesehen hat das Buch leider nicht viel zu bieten. Als Leser bekommt man durch die Augen von Antoine anhand einer Vielzahl von Episoden mit, wie grausam und mitleidslos die Dorfbewohner untereinander im Allgemeinen und zu Antoine im Besonderen sind. Antoine findet unter ihnen keine Freunde; meist wird er nur ausgenutzt. Nicht umsonst war zunächst ein Diktiergerät sein bester Freund, und nun erzählt er einem Plastikstuhl seine Geschichte. Niemand hört ihm zu; niemand interessiert sich für ihn. Und dabei bleibt es.

Letztlich ließ mich das Buch daher ziemlich ratlos zurück. Welche Botschaft wollte die Autorin mit den oft allzu explizit beschriebenen Grausamkeiten und Demütigungen vermitteln? Dieser Teil der Geschichte nimmt neben der Kriminalgeschichte relativ viel, wenn nicht sogar den größeren Raum ein, führt aber nirgendwo hin. Wie ich auch in unserer Leserunde geschrieben habe, bin ich kein Anhänger von düsteren Zustandsbeschreibungen. Daher kann ich mich nicht überwinden, hier mehr als drei Sterne zu geben.


 

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