Neil, gescheiterter Schauspieler, Vater und Ehemann, besucht an der Abenduni eine Vorlesung zur Kultur und Zivilisation und ist fasziniert von der stoischen und anspruchsvollen Professorin Elizabeth Finch. Er hat zwar Affären und Liebeleien, doch prägt das Ringen um ihre Anerkennung sein Leben. Auch nach Beendigung des Studiums bleiben die beiden in Kontakt. Als sie stirbt, erbt Neil ihre Bibliothek und Aufzeichnungen - und stürzt sich in ein Studium Julian Apostatas, der für Elizabeth Finch ein Schlüssel zur Bedeutung von Geschichte an sich war: Der römische Kaiser wollte im 4. Jahrhundert das Christentum rückgängig machen. Wer war Julian Apostata? Und was wäre passiert, wenn er nicht so jung gestorben wäre? Der Schlüssel zur Gegenwart liegt nicht selten in der Verhangenheit, das zeigt dieser kenntnisreiche Roman auf unnachahmliche Weise.
Das Buch ist eine intelligente Hommage an die Philosophie, ein Ausflug in die Geschichte, eine Einladung, selbst zu denken. Kaufen
Kaufen >
Julian Barnes ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der englischen Gegenwartsliteratur und er kann auf ein umfangreiches, mit wichtigen Literaturpreisen ausgezeichnetes Werk zurückblicken. In jedes neue Buch von ihm werden große Erwartungen gesetzt.
Neil, der Ich- Erzähler, ein in vielerlei Hinsicht gescheiterter Mann, besucht an einer Londoner Abenduniversität einen Kurs über „ Kultur und Zivilisation“. Dozentin ist die titelgebende Elizabeth Finch, eine Geisteswissenschaftlerin , deren Faszination Neil von Anfang an erlegen ist. Sie legt Wert auf „ kollaboratives Lernen“, will kein Faktenwissen vermitteln, sondern mit ihren Fragen zum Selber- Denken anregen.
Auch nach Kursende bricht der Kontakt zwischen Neil und Elizabeth Finch nicht ab. Zwanzig Jahre lang, bis zu ihrem Tod, treffen sie sich mehrmals im Jahr zum gemeinsamen Essen in einem Restaurant und zum Gedankenaustausch.
Und nach ihrem Tod erbt Neil ihre Bibliothek und ihre Aufzeichnungen. Dabei stößt er auf Notizen über Julian Apostatas. Dieser letzte heidnische Kaiser des Römischen Reiches hat 363 n.Chr. erfolglos versucht, das Christentum zurückzudrängen zugunsten der hellenistischen Vielgötterwelt. In ihrem Kurs stellte die Dozentin damals die hypothetische Frage, ob Europa heute nicht freier und aufgeklärter wäre, hätte sich das Christentum nicht durchgesetzt .
Neil fühlt sich durch Elizabeths Aufzeichnungen angeregt und beinahe verpflichtet, eine Abhandlung über Julian Apostatas zu schreiben. Dieser Essay bildet den zweiten Teil dieses Buches.
Im dritten Teil versucht Neil der privaten Figur Elizabeth Finch nahezukommen. Dazu trifft er deren Bruder, aber auch eine ehemalige Kommilitonin und recherchiert. Doch vieles bleibt ungeklärt.
„ Elizabeth Finch“ ist ein Buch, das mich etwas ratlos zurücklässt.
Was haben wir auf der eher mageren Handlungsebene? Einen Ich- Erzähler, „ ein Mensch der unvollendeten Projekte“, der sich in einer „ romantisch- stoischen“ Liebe zu seiner Dozentin hingezogen fühlt, eine ungewöhnliche Professorin, über die wir leider nicht sehr viel erfahren und einen römischen Kaiser, der „ zu einer historischen Gestalt geschrumpft ist“, die heute zu Recht in Vergessenheit geraten ist.
Handlungsarmut macht noch keinen schlechten Roman, aber auch die Figuren bleiben letztlich blass. Barnes schafft es nicht, „ aus all den unbedeutenden, widersprüchlichen und fehlenden Indizien ein Leben, ein lebendiges Leben, ein leuchtendes Leben, ein kohärentes Leben zu schaffen.“
Und Barnes historische Gedankenspielerei ist eine Spielerei, die müßig ist und für mich auch nicht haltbar. Das Leben im antiken Griechenland und im Römischen Reich war nur für wenige Privilegierte ein Ort der Freiheit und der Toleranz. Auch haben Ideologien im 20. Jahrhundert, die überhaupt nicht auf christlichen Werten sondern auf dem Atheismus aufgebaut waren, für mehr Gräuel gesorgt als sämtliche Religionen jemals.
Heute leben wir in einer Welt, in der anstelle des Einen Gottes viele „Götter“ angebetet werden , nämlich den Konsum, die Gier, das Ego, den Sport und manches mehr. Doch von paradiesischen Zuständen sind wir meilenweit entfernt.
Julian Barnes bezeichnet sich selbst als „ glücklichen Atheisten“. Doch sein Statement zu Gott und Religion in seinem großartigen Essay „ Nichts was man fürchten müsste“ über das Sterben und den Tod gefällt mir wesentlich besser als sein Versuch hier, das Christentum für alles Böse in der Geschichte verantwortlich zu machen. Dort schrieb er „ Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.“
Vielleicht muss man die Geschichte und die These des Romans nicht so wichtig nehmen und sich stattdessen auf die klugen Sätze und Gedanken Julian Barnes konzentrieren. Davon gibt es reichlich.
Die wichtigste Erkenntnis, die ich aus dem Buch mitnehme, ist die Aussage des Stoikers Epiktet: „ Über das eine gebieten wir, über das andere nicht.“ Konzentrieren wir uns auf das, was wir beeinflussen können.
Julian Barnes konnte mich mit seinen neuesten Werk leider nicht überzeugen. In diesem „ Roman“ stecken ein Essay und eine fiktive Geschichte, beide wirken fragmentarisch und ergeben kein organisches Ganzes.
Wer den englischen Autor at his best kennenlernen möchte, dem empfehle ich „ Vom Ende einer Geschichte“, ein Roman, der mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde und „ Der Lärm der Zeit“. An der Figur des Komponisten Schostakowitsch zeigt Julian Barnes die Arbeitsbedingungen eines Künstlers in einer Diktatur. An diese beiden Meisterwerke kommt „ Elizabeth Finch“ bei weitem nicht heran.
Lesern von "Elizabeth Finch: Roman" gefiel auch...
Oben in den Wäldern: Roman
von: Daniel Mason
Bis an die Grenze: Roman
von: Dave Eggers
flüchtig: Roman
von: Achleitner, Hubert