Rezension Rezension (3/5*) zu Ein Sonntag mit Elena: Roman von Fabio Geda.

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Buchinformationen und Rezensionen zu Ein Sonntag mit Elena: Roman von Fabio Geda
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Das Schweigen der Väter

Kurzmeinung: Schön - aber ein bisschen oberflächlich dahingestrichelt.



In wechselnden Erzählperspektiven, ineinander übergreifend, nicht geordnet pro Kapitel, aber so geschickt gemacht, dass man dreimal hinschauen muss, schon wieder ein Perspektivwechsel?, erzählt der Autor vom Vater, einem liebevoll verpeilten Architekten in Rente, der sich leer fühlt, wenn keins seiner erwachsenen Kinder um ihn herum ist. Oder seine Enkel.

Die an und für sich belanglose Geschichte wird ausgesprochen zärtlich erzählt. Ganz sicher möchte der Autor Empathie für das Papachen wecken. Es wird keine Kritik an ihm geübt. Aber Papachen ist ganz selber schuld an seiner relativen Einsamkeit.

Warum ist die Story an und für sich belanglos? Weil es so alltäglich ist, dass Väter und Kinder sich auseinanderleben, wenn der Klebstoff Mutter nicht mehr zur Verfügung steht. Alt. Alt. Alt. Zumal der Autor keine tiefgreifenden Folgen schildert. Oder ist gerade das Folgenlose auch wieder gut? Dass der Autor kein Drama daraus macht? Nun, ein wenig Eigenreflexion von Papachen hätte ich mir schon gewünscht. Und ein wenig Reue. Dann wäre ich ein wenig höher gegangen mit meiner Punktzahl.



Der Autor lässt seine Figuren, den Vater, die Töchter, Sonia und Giulia und Ale(ssandro) vom Höxken aufs Stöxken kommen. Bei jeder neuen Ausschweifung in weitere belanglose Episoden ihrer jeweiligen Lebensentwürfe, will ich eigentlich aufhören zu lesen, doch die kurzen Kapitel halten mich dann doch bei der Stange. Und die bezaubernde Schreibweise. Ja, man kann nicht anders, als von dieser Schreibweise ein wenig bestrickt zu sein und sich einlullen lassen. Das Buch ist ja nicht lang, es lohnt sich kaum, vorzeitig aufzuhören.



Der Autor führt vor Augen, was passiert, wenn Väter sich auf ihre Karriere konzentrieren und zu Hause nicht verfügbar sind. Schleichende Entfremdung setzt ein. Erst mit den Enkeln korrigiert sich die Väterhaltung. Aber das rettet auch nichts mehr. Die Sprachlosigkeit bleibt.



Die Kritik an dem Roman ist rein inhaltlicher Natur, denn am Stil des Autors und seiner Art zu erzählen ist nichts auszusetzen, abgesehen davon, dass die ganze Geschichte so belanglos wie alltäglich ist. Nun gut, aber will man sich nicht im Alltäglichen, literarisch beschrieben, wiederfinden?



Konkrete Kritikpunkte:

Erstens: Die ganze Familie macht einen mächtigen Bohai daraus als die jüngste Enkelin, Rachele, vom Baum fällt und sich den Arm bricht. Als ob die Welt unterginge gebärden sie sich und langweilen mich damit gründlich.



Zweitens: obwohl der Vater als Architekt Erfolge einheimste und in der ganzen Welt herumkam, tut er sich unheimlich schwer mit sozialen Kontakten. Das ist einfach nicht glaubhaft. Vor allem nicht in Italien, wo jeder mit jedem redet und bei Bedarf den Gemüsehändler zuquatscht. Ich will nicht wissen, was sich Postboten anhören müssen!



Drittens: Obwohl Papa nie im Leben einen Kochlöffel in die Hand nahm, kocht er ein kompliziertes Gericht aus dem Kochbuch seiner Frau und es klappt auf Anhieb. Nonsens.



Und Viertens muss man sich das Thema „Das Schweigen der Väter“ zusammenreimen, denn das Treffen mit Elena am Sonntag und seine Folgen ist dann doch zu geringfügig für den Roman. In der Musik wäre es ein nettes, kleines Nebenmotiv. Ein Anlass, ein Aufhänger, aber kein Grund für einen Roman.



Fazit: Sehr, sehr nett geschrieben, ein ruhiger Roman, den ich durchaus hätte noch mehr mögen können, wenn er sich nur mehr auf (s)ein Thema konzentriert hätte.



Kategorie: Anspruchsvolle Literatur: 3 Punkte
Unterhaltung: 4 Punkte

Ergo: 3.5



Verlag: hanserblau, 2020

 
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