Rezension Rezension (3/5*) zu Die Todesbotin von Thomas Elbel.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Todesbotin von Thomas Elbel
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Im braunen Sumpf...


Der zweite Fall für Viktor von Puppe vom LKA Berlin und seine Kollegen Kenji Tokugawa und Begüm Duran hat es wieder in sich. Als in einem Handyladen der Besitzer erschossen aufgefunden wird, verhält sich die türkischstämmige Begüm sehr seltsam - noch seltsamer jedenfalls als sonst schon. Das Handy des Ladenbesitzers steckt sie nach kurzer Begutachtung heimlich in ihre Tasche und unternimmt fortan ohne Absprache mit ihren Kollegen eigene Ermittlungen.

Kurze Zeit später kommt es in einer verlassenen Kinderklinik zu einer Explosion, bei der einige Hausbesetzer zu Tode kommen - unter den Leichenteilen findet sich auch ein zerfetzter Flüchtling. Rasch wird klar, dass die beiden Ereignisse zusammengehören. Doch während der Staatsschutz davon ausgeht, dass es hier einen terroristischen Hintergrund gibt und dem LKA den Fall aus der Hand nimmt, glauben Viktor von Puppe und sein Kollege an einen anderen Zusammenhang. Die Spur führt nach Wemel, ein kleines, abgelegenes Dorf im Osten Deutschlands, das hermetisch abgeriegelt ist und das sich selbst als 'völkische Siedlung' bezeichnet.

Durch Beziehungen seines Großvaters, der zu Zeiten der Konzentrationslager dem berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele begeistert zur Hand ging, gelingt es dem Oberkommissar, sich in diese abgeschirmte Gemeinschaft einzuschleusen und undercover mit seinen Ermittlungen zu beginnen. Eine gefährliche Angelegenheit - denn neben rechtsradikalen Überzeugungen stößt Viktor hier auch auf eine hohe Gewaltbereitschaft. Wer wird ihm notfalls zu Hilfe eilen?

Die interessanten Charaktere vom ersten Band spielen auch in diesem Fall wieder eine Rolle. Zwar treten der Halbjapaner Kenji Tokugawa und Viktor von Puppe hier gelegentlich gemeinsam auf, doch erscheinen die Ermittler im Wesentlichen v.a. als Einzelkämpfer, wobei es oftmals zu sehr gewagten Aktionen kommt. Eine wirkliche Entwicklung erfahren die Charaktere hier nicht, durch die wiederholte Pointierung einzelner Züge geraten sie vereinzelt gar ins Klischeehafte.

Von Puppe verfügt beispielsweise über ein lexikalisches Gedächtnis, ist der sexuell recht freizügigen und experimentell veranlagten Rechtsmedizinerin Stella verfallen und verhält sich oftmals recht naiv. Kenji Tokugawa hat ein loses Mundwerk, nimmt Entscheidungen der Obrigkeit meist nicht einfach so hin und schert sich nur begrenzt um bestehende Gesetze. Begüm Duran schließlich erweist sich als ausgesprochen eigenbrötlerisch und abweisend, neigt zu Alleingängen und kann Viktor nicht leiden ('dämlicher Schnösel'). Dadurch erscheint sie nicht sonderlich sympathisch.

Thomas Elbel präsentiert in seinem Thriller interessante Schauplätze, die beim Lesen teilweise überzogen und unvorstellbar erscheinen, wobei Dr. Google einen schnell belehrt, dass der Autor sich dabei sehr wohl an realen Schauplätzen orientiert hat. Diese Aspekte des Thrillers fand ich überaus interessant, und so verlängerte sich die Lesezeit zwangsläufig, weil ich nebenher mit 'Recherchen' beschäftigt war und Bilder betrachtete oder mir Reportagen ansah. Dümmer wird man hier sicher nicht.

Im Vergleich zum ersten Band schraubte Thomas Elbel hier die Blutrünstigkeit und Ekelszenen glücklicherweise etwas herab, was ich wohlwollend zur Kenntnis nahm. Mit Horror und Splatter kann ich mich bei aller Begeisterung für das Thriller-Genre einfach nicht anfreunden. Der Text lässt sich wieder sehr flüssig lesen, und mit dem oft flapsigen Sprachstil kann ich mich allmählich auch anfreunden. Gerade die Sprüche von Kenji Tokugawa sorgen immer wieder für Auflockerungen, die der Handlung gut tun. Aber auch andere Charaktere haben hier einigen Unterhaltungswert:


"Also ist das ein Tatort?", hakte Ken nach. "Da wir Metzgereifachbetrieb wohl ausschließen können, gehe ich mal schwer davon aus." (S. 375)


Thomas Elbel legt die Handlungsstränge breit gefächert aus, präsentiert meist kurze Kapitel mit wechselnden Handlungssträngen und entsprechenden Cliffhangern am Ende. Manchmal waren mir die Wechsel bzw. die Zeitsprünge zu viel bzw. zu groß. Weshalb sich da jemand plötzlich irgendwo befand, erschloss sich dann erst allmählich im Laufe des folgenden Textes, führte bei mir anfangs jedoch zu einiger Verwirrung und der Vermutung, im Vorfeld etwas überlesen zu haben.

Auch wenn im Verlauf für mich nicht alles vorstellbar war, gelingt es dem Autor am Ende tatsächlich, die Handlungsstränge gelungen zusammenzuführen und alle offenen Fragen zu beantworten. Dazu taucht am Ende noch einmal ein fieser Cliffhanger auf, der durchaus neugierig macht auf den Folgeband.

Insgesamt gefiel mir hier vieles besser als im ersten Band, und auch wenn ich auch diemal noch nicht hunderprozentig überzeugt bin, würde ich die Fälle um Viktor von Puppe gerne weiter verfolgen.


© Parden

 
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