Rezension Rezension (3/5*) zu Die rote Tapferkeitsmedaille: Roman von Stephen Crane.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die rote Tapferkeitsmedaille: Roman von  Stephen Crane
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Vorreiter der Antikriegsliteratur

Henry Flemming ist ein junger Bursche von etwa 16 Jahren, als er sich enthusiastisch den Nordstaatentruppen im amerikanischen Sezessionskrieg anschließt. Er träumt vom Heldentum, gleich den großen, sagenhaften Gestalten der Griechischen Antike. Doch als Henry zum ersten Mal ins Kampfgeschehen muss, erfährt er die grausame Wirklichkeit des Krieges.

Der in Vergessenheit geratene amerikanische Schriftsteller Stephen Crane war nur ein paar Jahre älter als sein Protagonist Henry, als er „Die rote Tapferkeitsmedaille“ 1895 schrieb. Sechs Jahre nach dem großen Bürgerkrieg geboren und ohne eigen Kriegserfahrungen übernimmt Crane mit diesem Roman eine Vorreiterrolle in der Antikriegsliteratur. Noch nie zuvor stand der „einfache Soldat“ im Mittelpunkt einer Kriegserzählung. So wird die Schlacht von innen und nicht von einer sicheren Beobachtungssituation erlebt.

Mit Henry ist auch die Leserin mittendrin im Geschehen, im Chaos, im Blut und Dreck, im Wahnsinn des Krieges.

„Was er direkt vor sich sah, war ein furchteinflößendes Monstrum, eine gefräßige Maschine, die alles zermalmte, was ihr in den Weg kam.“

Bis zum Schluss ist nicht definiert, um welche Schlacht es überhaupt geht. Es gibt keine historischen Fakten, keine Hintergründe, warum gerade dieser Krieg stattfindet.
Das Pathos und das überbordend bildhafte der Sprache des Romans mag seiner Zeit entsprechen, der Wahnsinn des Krieges hingegen ist zeitlos. Schon allein, dass dieser Roman unter anderem Vorbild für Remarques „Im Westen nichts Neues“ gedient hat, ist zu würdigen.

In seiner schwärmerischen Naivität, seinem Traum, den heroischen Vorbilden zu folgen, wirkt Henry nicht immer authentisch und eher der Bildung seines Urhebers geschuldet. In seiner Angst, ja, auch in seiner Feigheit und den Rechtfertigungsversuchen vor sich selbst ist Henry aber nur allzu menschlich. In Henrys Denken ist eindeutig die Stimme des Autors zu hören: Krieg als Maschinerie, der seine Teilnehmer entmenschlicht, ihnen die Individualität nimmt. So sind auch Cranes Figuren auf Schlachtfeld Prototypen: Der Angeber, der Schreihals, der Zerlumpte, der Lulatsch, der Junge.

Henrys Entwicklung lässt bis zum Schluss auf sich warten. Doch das Henry zuletzt doch so etwas wie ein Held geworden ist, hat Crane rückblickend wohl etwas bereut. Doch blieb dem Autor wohl keine Zeit, für eine aktualisierte Fassung. Stephen Crane starb 1900 mit nur 29 Jahren an Tuberkulose.



 
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