Rezension (3/5*) zu Die Nacht danach von Nikodem Skrobisz

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
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Solide Endzeit-Novelle

In Nikodem Skrobisz‘ nur 99 Seiten dünnen eBook „Die Nacht danach“ entwickelt er eine Versuchsanordnung für den Moment kurz nach einem Atomkrieg. In einem nicht näher benannten westlichen Land entdecken Scott und Sarah, ein Ehepaar ein einem Trailerpark, und Henry und Celine ein Pärchen, was sich nur für einen One-Night-Stand in der Luxusstrandvilla von Henrys Vater getroffen hat, Blitze am nächtlichen Himmel. Die darauffolgenden roten Atompilze in der Ferne lassen auf einen nuklearen Angriff schließen und bringen die beiden Paare zu ganz unterschiedlichen Schutzmaßnahmen. Scott, ein Afghanistan-Veteran, schaltet schnell und schleppt seine Ehefrau schnellstmöglich in die zumindest ein wenig Schutz bietende Kanalisation. Henry muss mit Celine nicht auf das Abwassersystem zurückgreifen, hat ihm doch sein Vater unter dem Haus einen luxuriösen, mit allem was das Prepperherz sich wünscht ausgestatteten, ABC-sicheren Bunker hinterlassen.

Nun schreibt Skrobisz die divergierende Geschichte dieser beiden Paare, die unterschiedlicher in sozioökonomischem Status und Ausgangssituation nicht sein könnten, über einen Zeitraum von grob zwei Wochen fort. Der Überlebenskampf bekommt ganz unterschiedliche Qualitäten und läuft auf einen Showdown hinaus.

Zugegebenermaßen gefiel mir der Einstieg in diese Geschichte tatsächlich nicht sonderlich. Das lag hauptsächlich an den psychologisch eher unrealistischen Reaktionen der verschiedenen Protagonisten auf das Niedergehen der vielen, markerschütternden Atombomben. Da werden währenddessen und kurz danach knackig-coole Sprüche gemacht, die an Action-Filme aus den 90ern erinnern, in denen der Held immer einen flotten Spruch draufhatte, egal in welcher brenzligen Situation er sich befand. Gut, nun wird die Geschichte vom Autor als „Ein (sic) Tragikomödie, die von der Struktur ein Kammerspiel ist, erzählt in Romanform.“ beschrieben. Komödienhaft waren die Kommentare allerdings für mich nicht, eher – wie gesagt – unrealistisch. Und „tragisch“ ist nun einmal die Grundlage dieser Geschichte: ein Atomkrieg. Tragik im Speziellen bietet über die aus diversen Endzeitszenarien in Film- und Buchform bekannten Probleme im Überlebenskampf hinaus, die Geschichte nicht.

Was die Geschichte jedoch zu bieten hat, ist mit Fortlauf der Lektüre eine sehr gute Darstellung der Atmosphäre während den ersten Tagen nach einem Atomkrieg und dem knappen Überleben. So fühlt man sich an Cormac McCarthys Beschreibung der Düsternis einer untergehenden Welt in „Die Straße“ erinnert. Der Vorteil von Skrobisz‘ Buch: Es ist weitaus kürzer und demnach keinesfalls so langatmig, wie es bei McCarthy manchmal der Fall ist. Die für mich aber größten Stärken dieser Veröffentlichung sind die moralischen Fragen, die das Buch im Verlauf aufwirft: Wofür lohnt es sich überhaupt so etwas zu überleben? und Was ist zielführender und moralisch vertretbarer; Kooperation oder seine eigenen Wege gehen, um zu überleben? Auch wird durch die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der beiden Paare die Frage der Überlebenschancen im Spannungsfeld „arm vs. reich“ aufgeworfen.

Meines Erachtens handelt es sich hierbei um eine solide Novelle, die als Ausgangspunkt das Szenario eines Atomkrieges wählt, und kurz und knapp den ein oder anderen Denkanstoß geben kann. Das ist sicherlich am besten für Leser:innen geeignet, die sich zuvor gedanklich eher wenig mit dem Thema beschäftigt haben und nun damit erstmals in Berührung kommen. Für Leser:innen, die sich schon eingehender diesbezüglich belesen haben, wird das Buch keine signifikant neuen Erkenntnisse bieten können. Somit also ein guter Startpunkt, der durchaus noch Potential nach oben hat. Ausgehend von den zuvor veröffentlichten Werken des 23jährigen Autors ist definitiv von diesem Potential auszugehen und seine zukünftigen Veröffentlichungen sollten im Auge behalten werden.

3,5/5 Sterne

 
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