Rezension Rezension (3/5*) zu Die Kinder des Borgo Vecchio: Roman von Giosuè Calaciura.

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Kinder des Borgo Vecchio von Giosuè Calaciura
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Ein Ort voller Sünder

In dem kleinen Viertel Borgo Vecchio an der Küste, irgendwo in Italien, wachsen Cristofaro, Celeste und Domenico, der von allen nur Mimmo genannt wird, auf. Die drei Kinder stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, haben ihren kindlichen Blick jedoch schon länger verloren. Giovanni, Mimmos Vater, ist der Metzger des Viertels. Er betrügt seine Kunden mit einer manipulierten Waage. Cristofaros Vater, ein notorischer Säufer, ist sogar noch schlimmer: Er verprügelt seinen Sohn jeden Abend heftig. Und auch Celestes Mutter, die Prostituierte, ist für ihre Tochter kein gutes Vorbild. Während sich Carmela um ihre Freier kümmert, muss die Schülerin bei Wind und Wetter auf dem Balkon ausharren. Doch die drei Freunde setzen ihre Hoffnungen in Totò, den Berufsganoven mit der Pistole…

„Die Kinder des Borgo Vecchio“ ist ein Roman von Giosuè Calaciura.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sieben Kapiteln unterschiedlicher Länge. Erzählt wird aus einer allwissenden Perspektive. Immer wieder gibt es Rückblenden, die nicht sofort als solche zu erkennen sind. Genaue Orts- und Zeitangaben fehlen, was die Einordnung des Romans erschwert. Insgesamt funktioniert der Aufbau jedoch gut.

Besonders beeindruckt am Roman hat mich das sprachliche Ausdrucksvermögen des Autors. Die nur rund 150 Seiten sind gespickt mit ungewöhnlichen Sprachbildern, mit allerlei Metaphern und Symbolen, die für eine dichte, fast schon greifbare Atmosphäre sorgen. Poetisch und intensiv mutet der Schreibstil an. Mit wenigen Worten und auf nahezu brillante Weise gelingt es Calaciura, sehr vieles zu transportieren. Dies ist eine der Stärken des Romans. Allerdings erfordert er ein aufmerksames und sorgfältiges Lesen.

Mit Mimmo, Cristofaro und Celeste stehen drei junge, interessante Charaktere im Vordergrund. Schon nach wenigen Seiten habe ich mit den sympathischen Protagonisten mitgelitten, die noch Träume und Hoffnungen haben, obwohl sie in einer grausamen Umgebung leben müssen. Weniger überzeugt haben mich die Nebenfiguren, die teils klischeehaft, teils stark überzeichnet wirken.

Apropos Übertreibungen: Auch inhaltlich habe ich mich mit der Geschichte schwergetan. Viele der Schilderungen gleiten ins Pathetische, Karikaturenhafte, übermäßig Dramatische und immer wieder auch ins Surreale ab. Trotz der dargestellten Ungerechtig- und Grausamkeiten konnte mich der Roman daher leider nur wenig berühren. An einigen Stellen habe ich die Geschichte stattdessen als skurril und sogar (ungewollt?) komisch empfunden.

Gut gefallen hat mir, dass hier und da Gesellschaftskritik durchscheint. Unklar bleibt jedoch auch nach den letzten Seiten die (moralische) Botschaft des Ganzen. Ebenso wenig hat sich mir der Sinn der unnötig zahlreichen Bibelbezüge und religiösen Passagen erschlossen.

Nicht richtig zuordnen kann ich auch das Cover der gebundenen Ausgabe, da ich nicht verstehe, wen die drei Jungen darstellen sollen. Rein optisch gefällt es mir allerdings. Der deutsche Titel ist eine erweiterte Version des italienischen Originals („Borgo Vecchio“).

Mein Fazit:
„Die Kinder des Borgo Vecchio“ von Giosuè Calaciura ist ein wort- und bildgewaltiger Roman, dessen sprachliche Versiertheit besonders ist. Leider lässt mich die Geschichte, die dem Leser einiges abverlangt, in Bezug auf den Inhalt jedoch ein wenig ratlos zurück, sodass ich das Buch nur bedingt empfehlen kann.

 
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