Zwei Jugendfreundinnen – die eine reich, die andere arm. Nach einem halben Jahrhundert begegnen sie sich wieder. Der neue Roman von Monika Helfer.
Gloria und Moni sind beste Jugendfreundinnen – die eine reich, die andere arm. Ein halbes Jahrhundert später begegnen sich die beiden Frauen wieder und Gloria beichtet ihr Lebensgeheimnis: Nie hat sie mit jemandem geschlafen. Früher kam Gloria immer gut an, war exzentrisch und schön, wollte Schauspielerin werden, war viel unter Menschen. Gloria und Moni wachsen auf im Mief der sechziger Jahre, sind konfrontiert mit Ehe, Enge und Gewalt. Wie wurden die beiden zu denen, die sie sind? Monika Helfer macht aus Lebenserinnerung große Literatur. Nach der Trilogie über ihre Familie und Herkunft ist „Die Jungfrau“ ein atemloser Roman über die jahrzehntelange Freundschaft zwischen zwei Frauen.Kaufen
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Eigentlich dachte Monika Helfer mit „ Löwenherz“, dem Buch über ihren Bruder, das Schreiben über ihre eigene Familien- und Lebensgeschichte zu einem Ende gebracht zu haben. Doch nun hat sie nachgelegt, „ Die Jungfrau“. Hier nähert sie sich, über den Umweg Gloria, der Freundin, ihrem eigenen jugendlichen Ich an und erzählt dabei auch manches über ihr jetziges Leben.
Seit frühesten Schultagen waren Moni und Gloria Freundinnen. Beide waren die Kleinsten ihrer Klasse, beide waren Außenseiter. Doch ansonsten trennten sie Welten. Moni lebte seit dem frühen Tod der Mutter mit zwei ihrer Schwestern bei einer Tante und deren Familie; sieben Menschen auf engstem Raum in einer winzigen Wohnung in der Südtirolersiedlung. Gloria dagegen wohnte in einer riesigen Villa, gemeinsam mit ihrer Mutter. Über ihren Vater weiß sie nichts, erschafft sich einen in ihrer Phantasie.
Moni ist fasziniert vom Reichtum und dem Lebensstil, der dort gepflegt wird. Über Jahre hinweg verbringt sie jeden Tag bei der Freundin. Trotzdem ist die Freundschaft auch eine Last für sie, engt sie ein.
Später bricht der Kontakt zwischen den beiden Frauen ab, bis Moni an ihrem 70. Geburtstag einen Brief erhält. Gloria will sie vor ihrem Tod noch einmal sehen. Ein Wunsch, der einem Befehl gleichkommt.
Wie so oft, wenn man Menschen aus der Vergangenheit begegnet, verfällt man in alte Rollenmuster. So auch hier. Moni macht sich für den Besuch besonders chic, Gloria dominiert wie früher das Gespräch. Und sie bittet die Freundin: „ Ja, Moni, schreib eine Seite über mich, denn wenn ich sterbe, ist dann noch etwas von mir da.“
Es werden dann doch mehr als eine Seite, aber ein umfangreiches Buch ist es nicht geworden, die Geschichte von Gloria und Moni.
Monika Helfer schreibt wie gewohnt in extrem verdichteter Form und sie springt in den Zeiten, denn „ die Erinnerung schert sich wenig um Chronologie“. Episoden aus der Vergangenheit wechseln sich ab mit Verrichtungen in der Gegenwart, Gesprächen mit ihrem Mann und Reflexionen über das Schreiben. „ Es gehört ja zu den Glücksmomenten beim Schreiben, wenn ohne viel Nachdenken ein Satz entsteht, der den Schreiber selbst zum Nachdenken anregt.“
Deutlich wird dabei, dass dies keine Freundschaft auf Augenhöhe war. Moni fühlte sich oft unterlegen, nicht nur aufgrund ihrer Armut. Nein, Gloria galt auch immer als die Schönere; auf sie mit ihrem Schmollmund und ihrem hoch aufgebundenen Rossschwanz fielen die Blicke der Männer. Und auch noch nach vierzig Jahren kommt bei Moni der alte Groll wieder hoch. Dabei könnte Moni triumphieren. Hat sie nicht alles geschafft, während ihre Freundin mit dem glamourösen Namen nun alt und einsam in ihrer Villa lebt?
Was ist aus den Mädchenträumen von damals geworden?
Gloria wollte Schauspielerin werden, ein Beruf, der zu ihr passt, denn „ sie spielt“. Sie besteht sogar die Aufnahmeprüfung am renommierten Max Reinhardt Seminar in Wien, beginnt eine Affäre mit einem verheirateten Professor dort. Doch sie bricht ab, zieht zurück ins Haus ihrer Mutter, wo sie auch nach deren Tod bleibt, ja, deren Rolle einnimmt.
Moni dagegen hat nicht nur ihren Traum, Schriftstellerin zu werden erfolgreich umgesetzt. Nein, sie hat auch im Privaten eine weitaus bessere Bilanz vorzuweisen. Nach der frühen ersten Ehe, die gescheitert ist, lebt sie seit Jahrzehnten glücklich mit ihrem zweiten Ehemann, dem Schriftsteller Michael Köhlmeier zusammen und ist Mutter von vier Kindern.
Während Gloria nach eigenem Bekunden immer noch Jungfrau ist.
Das klingt nun alles sehr interessant. Aber warum konnte mich dieses Buch überhaupt nicht erreichen? Es ist derselbe Monika-Helfer- Sound, der mir in „ Die Bagage“ und „ Vati“ so gefallen hat. Dieselbe Sprache, dicht und vieldeutig, mit klugen Beobachtungen und Reflexionen auch hier.
Was mich dort berührt und gepackt hat, hat mich hier emotional überhaupt nicht bewegt. Ich konnte im Verlauf der Lektüre immer weniger Interesse für diese Frauenfreundschaft aufbringen.
Gloria mit ihrem Exaltiertheit und ihrem manipulativen Verhalten hat mich genervt, obwohl man sie bedauern müsste. Aber auch Monika Helfer hat bei mir Sympathiepunkte verloren. Oder sollte ich die ehrliche und schonungslose Art, wie Monika Helfer ihre Moni porträtiert, bewundern?
Oder soll ich den gesamten Text als Roman lesen?
Irritiert hat mich schon, als ich in Interviews las, dass die Autorin ihre Figur Gloria aus verschiedenen Vorbildern konstruiert hat. Da die Eckdaten stimmen, bin ich hier von einem autofiktionalen Text ausgegangen. Aber dafür waren manche Episoden zu unglaubwürdig.
Auch wenn die Leserunde hier mir die Augen geöffnet hat für verschiedene Bedeutungsebenen und literarische Verweise, so lässt mich doch die Lektüre unbefriedigt zurück.
Die Autorin verhandelt spannende Themen, Herkunft und Klasse, Familie und Freundschaft, Prägungen und die Frage nach einem gelungenen Leben. Aber darüber habe ich schon bessere Texte gelesen. Schade!
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