Rezension (3/5*) zu Die Galapagos Affäre: Roman von Günter Seuren

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
In den Dreißigern auf Floreana: Paradies mit Fehlern

Im Jahr 1929 verlässt ein junges Paar Deutschland, um auf der Insel Floreana, die zur Galapagos-Inselgruppe gehört, das Paradies zu suchen - so die offizielle Lesart, die die aktuellen Zeitungen ihren Lesern mitteilen. Dore Strauch und Friedrich Ritter haben ihre jeweiligen Ehepartner "miteinander verkuppelt", um ohne schlechtes Gewissen selbst als Paar abreisen zu können. Das Presseecho ist riesig.
Die bis dahin unbewohnte Insel Floreana enthält nichts weiter als ein Fass als Postkasten, da es sich eingebürgert hat, dass vorbeifahrende Schiffe hier Post austauschen. Das Paar baut sich eine Hütte mit Blechdach und richtet einen Garten mit Hühnerhof ein. Ritter will vegetarisch leben und nur im Notfall Wild schießen.
Die Zeitungsnachrichten über den Garten Eden, in dem Ritter und seine Partnerin sich angeblich nur Kleider überwerfen, wenn ein Schiff kommt, verlocken auch andere Aussteiger. Ein weiteres deutsches Paar trifft ein, die Wittmers, die einen Jungen mitbringen und ein weiteres Kind erwarten. Mit einer dritten Gruppe wird es endgültig zu eng - die Baronin Wagner-Bousquet, die mit ihren zwei Gefährten Philippson und Lorenz in Paris ein für allemal Pleite gemacht hat, setzt sich in den Kopf, auf Floreana ein Hotel zu eröffnen, sobald sie einen Geldgeber dafür findet. Bis dahin pflegt sie, vulgär ausgedrückt, ein großkotziges Auftreten, kommandiert ihre beiden Männer herum und beklaut hemmungslos die anderen Siedler.

Man muss zum weiteren Verlauf kaum noch etwas sagen. Die "Galapagos-Affäre" machte Schlagzeilen, es wurden Romane, Zeitungsberichte und Filme dazu veröffentlicht, auch online gibt es reichlich Material einschließlich Fotos. Dass nach all den Jahren immer noch Fragen offen sind, hat viele Romanautoren angeregt, zum Beispiel Werner Köhler zu dem Buch "Die dritte Quelle", das wir im letzten Jahr hier in einer Runde gelesen haben. Der erste Autor, der den Stoff zu einem Roman verarbeitete, war übrigens Georges Simenon - noch bevor er für seine Krimis bekannt wurde.

Günter Seurens Buch erschien 2001 und ist vermutlich ganz interessant für Leute, denen die "Galapagos-Affäre" immer noch ein Novum ist. Für alle anderen jedoch weniger. Im Mittelpunkt des Romans steht Dore Strauch, die 1934 nach Ritters Tod und dem Verschwinden der Baronin die Insel verließ. Zurück in Deutschland versuchte sie 1938, sich das Leben zu nehmen, und wurde in eine psychiatrische Klinik in Berlin eingeliefert. Der Verlauf der Therapie, die (erfundenen) Dialoge mit dem behandelnden Arzt bilden die Rahmenhandlung des Romans; die Geschehnisse auf Floreana die Binnenhandlung. Seuren zitiert ausführlich die nachgelassenen Tagebuchnotizen Friedrich Ritters, der sein Experiment mit großen Worten philosophisch unterfütterte und nebenher seine Lebensgefährtin Dore wie ein Dienstmädchen behandelte. Die Dialoge der Inselbewohner einschließlich der Baronin und ihrer Entourage sowie der Wittmers sind natürlich reine Phantasie. Teilweise lesen sie sich recht spritzig, aber wer mit den Eckdaten der "Affäre" bereits vertraut ist, langweilt sich bald. Es gibt sicher interessantere Bücher über das Thema. Anerkennenswert ist das Bemühen des Autors, sich in die gedemütigte Dore Strauch einzufühlen. In seinem Nachwort schreibt er denn auch, er widme den Roman "den Frauen, die das falsche Paradies zu Fall bringen".