Rezension (3/5*) zu Die andere Hälfte der Welt: Roman von Christina Sweeney-Baird

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.598
21.851
49
Brandenburg
Sehr unterhaltsam, aber letztlich harmlos.

Kurzmeinung: Ich habe mich durchaus amüsiert, aber das Bedrohliche blieb aus.


Eine Pandemie bricht aus, schlimme Krankheit, die zum Tode führt, die allerdings nur Männer betrifft, wir atmen tief auf, beinahe hätte ich tief Luft geholt, was für ein Glück - die Pandemie greift weltweit um sich.

Der Kommentar:
Pandemiethemen sind momentan natürlich in! Das ist nur allzu verständlich, beschäftigen wir uns doch alle damit und fragen uns, wo wir in der Gesellschaft gerade stehen, mitten drin oder schon danach? Im Roman bricht die Pandemie in Schottland aus, die zuständigen Stellen, an denen hauptsächlich Männer sitzen, verschlampen und verschlafen das Zeitfenster, wo man noch hätte etwas verhindern können. Also sterben Männer massenweise, die Gesellschaft ist in Panik.

Der Roman ist rasant geschrieben, gut sogar oder gut gesprochen, da ich das Hörbuch „las“. Ja, die Sprecherinnen sind hervorragend, besonders gefällt mir Hansi Jochmann mit ihrem prägnanten Timbre.

Zwei Drittel der Zeit verwendet die Autorin auf Befindlichkeiten. Das macht sie schon gut, doch, zum Beispiel verfolgt man, wie eine Wissenschaftlerin den Impfstoff entwickelt, das dauert allerdings Jahre. Es werden andere, zahlreiche Einzelschicksale geschildert, die einem an die Nieren gehen könnten. Seltsamerweise tun sie das nicht. Wahrscheinlich, weil man gespannt darauf lauert, wie, wie, wie sich eine männerlose Gesellschaft darstellt. Darauf muss man lange warten!

Endlich: Statt Tinder Finder. Frau findet Frau. Viele logistische Dinge sind zu bewältigen, angefangen von der Organisation der Müllabfuhr bis zu Klempnerarbeiten und dem Händling technischer Berufe, üblicherweise in Männerhand bis zu der Besetzung hoher Vewaltungsposten. Endlich sind die Entscheidungsträger Frauen!

Und natürlich schaffen die Frauen alles. Die meisten Regierungen sind jetzt weiblich, Männer befinden sich weltweit in der Minderheit und jammern laut über sexuelle Anmache. Trauer muss bewältigt werden, aber ansonsten ist die Welt ein Paradies. Die Kriminalitätsrate sinkt, die Mortalität im Straßenverkehr fällt, etc. etc.

Der Roman ist letztlich vergnüglich. Eine "nette" Idee -

Man muss natürlich die vielen Einzelschicksale zu verfolgen, mögen, sie sind ein wenig zu ausführlich dargestellt für meinen Geschmack, bilden aber natürlich durchaus ab, was geschieht. Der Ausblick auf die männerlose Gesellschaft ist wirklich ein wenig kurz, aber durchaus vorhanden. Auch die Anbindung an die Weltpolitik, was ich besonders honoriere.

Ich rätsele, warum ich den Roman kaum ernst nehmen kann. Warum hat mir „Die Markierung“ von Frida Isberg einen kalten Schauer über den Rücken gejagt, obwohl jener Roman ungenügend auserzählt gewesen ist. Ha, deshalb! Auserzählt. Der Roman „Die andere Hälfte der Welt“ ist zu auserzählt. Fridas Roman ist mir zu wenig auserzählt, er hat große Lücken, aber "Die andere Hälfte der Welt" übertreibt es damit wiederum. Es fehlt der Raum, wo meine eigene, das heißt, des Lesers Phantasie Wurzeln schlagen könnte. Und deshalb greift mich der Roman nicht an. Ein letzter Kniff, um mich doch noch zu kriegen, wäre gewesen, wenn es zu guter Letzt eine Pandemie gegeben hätte, die nur Frauen vom Planeten fegt. Aber nix. Sweeney-Baird hat zuletzt der Biss gefehlt oder der Mut verlassen und so bleibt das Büchlein eben das, nett.

Fazit: Der Roman ist unterhaltsam, ich mochte ihn. Aber es gehen weder Bedrohung von ihm aus noch Denkanstöße. Er bleibt ohne Nachwirkungen.

Kategorie: Dystopie. Gute Unterhaltung.
Als Hörbuch: Hörbuchverlag, 2022
Diana Verlag, 2022/ Penguin Random House Verlagsgruppe.

 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.733
9.768
49
Frauen in Gummilatzhosen in der Kanalisation? Ungeschminkt Müll entsorgen? Haha! Kommt auf die Wunschliste "Vielleicht-eines-Tages-wenn-es-mir-über-den-Weg-läuft". Da ist Sensationsgier mein Motor.