Rezension Rezension (3/5*) zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford.

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford
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Alles nur Fassade


Alles nur Fassade

Ford Madox Ford
Die allertraurigste Geschichte

Dreh und Angelpunkt dieser Geschichte ist Bad Nauheim. Hier treffen sich zwei Ehepaare und werden Freunde. Als Freundschaft kann man es aber nur bezeichnen, sofern man die Ränkespiele und unterschwelligen Tragödien außen vor lässt, denn um nichts anderes geht es eigentlich in diesem Roman. Er ist gezeichnet von den Verfehlungen die im geheimen stattfinden, in der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ein britisches Ehepaar, Offizier Edward Ashburnham und seine Frau Leonora, eine irische Katholikin, haben mit den Eskapaden von Edward zu kämpfen. Leonora lässt ihren Mann allerdings auf vielfältige Weise für seine Verfehlungen leiden, und schafft es teilweise sogar die Fäden bei eben diesen Affären in der Hand zu halten.
John Dowell hat Florence geheiratet, eine reiche Erbin mit einem Herzleiden, welches sie an der Ausübung der ehelichten Pflichten hindert, was John allerdings nicht stört.
In Bad Nauheim lernen die beiden Paare sich kennen. Florence und Edward beginnen eine Affäre, von der John Dowell, der Erzähler dieses Romans viele Jahre nichts bemerkt haben soll. Und genau dies ist es, was den Leser schon nach kurzer Zeit stutzig werden lässt. Die vertraute Erzählweise ufert schnell in Skepsis aus. Was von dem was John erzählt hat sich wirklich so zugetragen? John scheint Edward sehr zugetan zu sein, und hat im Grunde fast immer eine Entschuldigung für das zügellose Verhalten des Freundes. Diese Tatsache macht es schwer, den Wahrheitsgehalt der Geschichte zu erkennen.

Zu Beginn des Buches hatte ich das Gefühl zu erkennen in welche Richtung mich die Handlung führt. Doch nach und nach wurde mir klar, dass Dowell bewusst das Bild eines Ahnungslosen gezeichnet hat, um am Ende einige brisante Wendungen und neue Gesichtspunkte auf die Personen ins Rennen zu bringen, die auch den Verlauf und die Sichtweisen in ein ganz anderes Licht rücken. Nichts ist so wie es scheint, wenn man die Hintergründe näher durchleuchtet. Es bleiben viele Zweifel bezüglich des Geschehens, denn John ändert seine Eindrücke schneller als man folgen kann. Manchmal ließ mich der Roman rätselnd zurück, er überforderte und verwirrte mich.

Was hat mir der Roman gebracht? Diese Frage habe ich mir tatsächlich gestellt, vor allem da es sehr mühsam war ihn zu lesen. Er hat mir Einblicke in die viktorianische Zeit gebracht, er hat mir aufgezeigt, dass es dort die gleichen Verfehlungen, Sehnsüchte und Ängste gegeben hat wie in der heutigen Zeit. Der einzige Unterschied ist der, dass damals alles im verborgen ablief und nicht, so wie heute, für alle erkennbar. Wenn man bedenkt zu welcher Zeit Ford Madox Ford dieses Werk geschrieben hat, es erschien erstmalig 1915, kann ich ihm einiges verzeihen. Der Erzählstil und alles weitere lässt sich sicher nicht mit Romanen aus der heutigen vergleichen, dennoch ist es kein Buch was ich leichtfertig empfehlen würde. Man muss sich alles erkämpfen, hätte mir klare Strukturen gewünscht und einen Erzähler dem ich die Story abkaufe.


 
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