Rezension Rezension (3/5*) zu Der unsichtbare Roman von Christoph Poschenrieder.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der unsichtbare Roman von Christoph Poschenrieder
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Des Kaisers neue Kleider...

Wer ist schuld am Ersten Weltkrieg? Im Jahr 1918 wird die Frage immer drängender. Da erhält der Bestsellerautor Gustav Meyrink in seiner Villa am Starnberger See ein Angebot vom Auswärtigen Amt: Ob er – gegen gutes Honorar – bereit wäre, einen Roman zu schreiben, der den Freimaurern die Verantwortung für das Blutvergießen zuschiebt. Der ganz und gar unpatriotische Schriftsteller und Yogi kassiert den Vorschuss – und bringt sich damit in Teufels Küche.

Dieser Klappentext gibt den Inhalt des Romans m.E. gut wieder. Gustav Meyrink, bekannt durch seinen erfolgreichen Roman 'Der Golem' sowie durch einzelne Artikel für Münchens satirische Wochenzeitschrift 'Der Simplicissimus', wird vom Auswärtigen Amt beauftragt, einen Roman zu schreiben, der klarstellt, dass die Freimaurer die Schuld am Ersten Weltkrieg tragen. Der Auftrag ereilt ihn kurz vor Ende der Kriegshandlungen, als bereits absehbar ist, dass Deutschland womöglich nicht als Sieger daraus hervorgehen wird. Entsprechend drängend erscheint dieser Auftrag.

Meyrink selbst ist mehr als erstaunt, dass die Wahl ausgerechnet auf ihn fällt, schlägt Alternativen vor (Ludwig Ganghofer etwa oder einer der Manns), sieht sich selbst als ausgesprochen unpolitisch und daher für wenig geeignet, eine solche Auftragsarbeit auszuführen. Doch das Geld lockt, und so geht Meyrink wider besseres Wissens schließlich darauf ein.

Zu Beginn des Romans war ich fasziniert - von der Idee einer solchen Auftragsarbeit, von der Tatsache, dass ich beim Recherchieren entdeckte, dass vieles von dem, was Poschenrieder hier präsentiert, tatsächlich historischen Fakten entspricht, von dem Humor, der hier immer wieder aufblitzt sowie von dem Schreibstil, der mich in seiner Geschliffenheit und stilistischen Eleganz tatsächlich in die Vergangenheit katapultierte.

Doch im Grunde lässt sich die Handlung selbst auf wenige Zeilen reduzieren. Die Auftragsarbeit erweist sich zwar für Meyrink als lukrativ, aber im Grunde als nicht durchführbar. Er erlebt eine ausgewachsene Schreibblockade und versucht diese durch diverse Tricks zu beheben - erfolglos. Schließlich greift er zu einem Schelmenstück und liefert seine Arbeit ab - den unsichtbaren Roman. Des Kaisers neue Kleider in neuem Gewand. Punkt.

Natürlich kann ein Autor einen Roman von 272 Seiten nicht derart auf den Punkt bringen. Und so verzwirbelt Poschenrieder Fakten mit Fiktion, bietet biografische Einsprengsel zur Person Gustav Meyrink, streut eigene Recherche-Notizen ein, liefert Episoden Münchner Lebens zu besagter Zeit mit Persönlichkeiten wie Kurt Eisner oder Erich Kurt Mühsam und leitet damit auch über zur Novemberrevolution 1918 in München sowie zur Ausrufung der Münchner Räterepublik.

Viel Stoff also, der von Poschenrieder stroboskopartig eingestreut wird, so dass über weite Strecken etliche angerissene Themenfelder wenig zusammenhängend beieinander liegen. Es ergibt sich daraus zwar ein Überblick über die politische Lage zu besagter Zeit in München, doch gerät der Freimaurer-Roman dadurch fast zur Rahmenhandlung, in die all die anderen Themen eigebettet werden. Zwischendurch wird zwar auf die Schreibblockade Meyrinks eingegangen, der seine Zeit jedoch lieber in einschlägigen Wirtshäusern verbringt, in denen beispielsweise auch ein Erich Kurt Mühsam anzutreffen ist.

Mir gefiel das Augenzwinkern der Erzählung, das hier immer wieder anzutreffen ist, ebenso wie die Idee des Schelmenstücks. Bedingt durch besagten Aufbau allerdings fand ich das Lesen oftmals anstrengend - und über weite Strecken tatsächlich langweilig. Gerade der Mittelteil wies für mich erhebliche Längen auf, und das Ende lässt m.E. zu viel Spielraum für Interpretationen. Letztlich habe ich den Roman achselzuckend zugeschlagen.

Alles in allem hat sich Poschenrieder, dessen Roman 'Das Sandkorn' mich beispielsweise sehr begeistern konnte, wieder einem interessanten und unbekannten Aspekt der Historie um den Ersten Weltkrieg herum gewidmet. Die Ausführung jedoch konnte mich diesmal nicht wirklich überzeugen - ich hoffe daher auf sein nächstes Werk.


© Parden