Rezension Rezension (3/5*) zu Der Stoff, aus dem Träume sind von Jana Stieler.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.855
7.736
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Für mich leider kein traumhaftes Buch...

Efeugrün, verwoben mit einem hauchzarten himmelblauen Faden – als Claire das Jackett in einem Londoner Vintage-Laden entdeckt, weiß sie sofort, dass es von der kleinen schottischen Hebrideninsel Barra stammt. Fast ein ganzes Leben ist es her, dass sie dort aufgewachsen ist. Ein Leben für die Mode, voller großer Pläne, Hoffnungen und Fehler. Und plötzlich lassen Claire die Erinnerungen nicht mehr los. Vielleicht ist jetzt endlich die Zeit gekommen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und verschüttete Träume zu bergen.

Ab und zu reise ich sehr gerne per Lektüre nach England, Irland oder Wales - und ja, auch nach Schottland. Warum also nicht einmal wieder die Koffer packen und mich auf die schottische Hebrideninsel Barra versetzen lassen?

Doch der Klappentext führt mal wieder in die Irre, denn Barra spielt in diesem Roman lediglich eine kleine Rolle, und besagter Claire kommt nur etwa die Hälfte der Handlung zu. Die inzwischen betagte Modezarin begegnet in einem Londoner Vintage-Laden nämlich Vivian, einer Aushilfsverkäuferin und alleinerziehenden Mutter, die die andere Hälfte der Handlung für sich beansprucht.

Zwei unterschiedliche Charaktere, deren Handlungsstränge hier zunehmend miteinander verweben - jedoch für mich nicht immer kunstvoll.

Da wäre zum einen Vivian, die junge ehemalige Psychologiestudentin, die mit ihrem kleinen Sohn preisgünstig als Hauswächter in einer ansonsten unbewohnten viktorianischen Villa lebt und nicht nur in dem Vintage-Laden arbeitet, sondern abends auch Dienst als Telefonseelsorgerin macht - mit diesem Charakter hatte ich durchaus so meine Schwierigkeiten, denn Vivian lebt unscheinbar, analysiert jede Begegnung mit einem anderen Menschen - und vor allem ständig sich selbst - und beobachtet lieber als das Leben zu wagen. Diese ständige Grübelei, Analysiererei und der Hang zu Selbstzweifeln nervten mich zwischendurch richtiggehend, so dass ich oft froh war, wenn sich die Handlung wieder dem zweiten Charakter zuwandte.

Claire war für mich der jedenfalls die deutlich interessantere Person, vor allem was die Einblicke in ihre Vergangenheit anbelangt. Die alte Dame hatte eine harte Kindheit, nachdem ihr Großvater auf Barra verstarb, der ihr die Liebe zu Stoffen und Farben vermacht hat. Gewalttätiger Vater, hilflose Mutter, ein kleiner Bruder, den zu beschützen die mutige und toughe Claire sich zur Aufgabe gemacht hat zu Zeiten der Armut im Nachkriegs-London - eine Mischung, die einen zerbrechen oder hart werden lässt. Claire als starkes Mädchen hat sich für letzteres entschieden, was die Weichen für die folgenden Jahre stellte. Zielstrebig und starrköpfig lernte sie, sich nur auf sich selbst zu verlassen - und endete damit einsam.

Die Begegnung von Claire und Vivian verändert die beiden Frauen ganz allmählich, harte Panzer bekommen Risse, neuer Mut entsteht, Perspektiven erweitern sich. Eigentlich eine schöne Entwicklung, doch geriet dies für meinen Geschmack zu sehr vorhersehbar nach Nähmuster, und die Handlungsstränge waren für mich oft auch nur wenig kunstvoll verwoben. Am Ende blieb doch einiges offen, so dass auch die Abschlussnaht in meinen Augen nicht sauber gearbeitet war.

Alles in allem ein flüssig zu lesender Roman, der jedoch nach meinem Empfinden zu sehr an der Oberfläche blieb, zu wenig Überraschendes bot und letztlich etwas enttäuschend endete. Nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte...


© Parden