Rezension Rezension (3/5*) zu Der Sprung von Simone Lappert.

KrimiElse

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26. Januar 2019
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5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Unterhaltungsroman

Der Auftakt des Romans „Der Sprung“ von Simone Lappert mutet wie ein Kammerspiel an, in dem aus der ungewöhnlichen Ausgangssituation - eine tobende junge Frau auf einem Dach im Zentrum einer Kleinstadt, Suizidverdacht - feine Verbindungen verschiedener Personen zu der Unbekannten geschaffen werden. Lebenslinien versehrter Charaktere spinnt die Autorin geschickt und spannend, und man fragt sich wo die Knoten der Verbindungen liegen, ob es überhaupt welche gibt und ob und warum das alles für die Frau auf dem Dach eine Rolle spielt. Da gibt es Finn, den Fahrradkurier, der aus Liebe zu ihr seine Lebenspläne über den Haufen wirft, und für den alles zu erlöschen scheint. Der Polizist Felix, der die Frau vom Dach holen soll und der zu viele schwermütige Erinnerungen mit sich herumträgt und nachts im Keller zur Meditation Küchengeräte zerlegt. Die pummelige Schneiderin Maren, die wegen der Frau auf dem Dach nicht in ihre Wohnung kann und deren Mann zum Gesundheits- und Fitnessfanatiker mutiert. Und die Schwester, Astrid, eine Frau auf dem Sprung in eine Lokalpolitik-Karriere. Daneben spielen Randfiguren eine Rolle wie Roswitha, die lebenskluge Kaffeehausbesitzerin, oder Egon, der ehemaliger Hutmacher, jetzt Metzger, der philosophisch-pessimistisch von den guten alten Zeiten träumt.
Die Kleinstadt hält kurz den Atem an, das Leben bleibt stehen und scheint in neuen Bahnen zu verlaufen, mit wankendem Gleichgewicht. Es gibt viele kluge Sätze und Passagen fürs Aphorismen-Album, die mir manchmal fast den Atem stocken lassen.

Aber leider zeigt die Geschichte nach diesem neugierig machenden Start im weiteren Verlauf wenig Tiefgang, die Autorin wartet mit noch mehr Personal auf, bedient sich tief am Boden der Klischee-Mottenkiste. Und auch wenn der episodenhafte Stil mit den vielen Perspektivwechseln ein hohes Maß an Spannung bringt, verstellt er andererseits einen tieferen Blick auf die anfangs eingeführten Figuren, den ich mir sehr gewünscht hätte.
Und ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass eine Grundidee hergehalten hat, die nicht wirklich zum Roman reichte, die mit vielen Seitensträngen angefüllt und aufgeplustert wurde und die gegen Ende des Buches sogar in wahrscheinlich ungewollten Slapstick und fast auf Lindenstraßen - Niveau abgleitet.
Es gibt durchaus interessante Einzelschicksale, die ich gerne mehr aus der Nähe betrachtet hätte, doch die Menge an Personen und die Kürze des Romanes läßt dies nicht zu, und so bleibe ich nach dem Lesen etwas erschlagen von der Menge der Wendungen und unzufrieden mit dem Ende der Geschichte zurück. Nirgendwo wird richtig hinter die Kulissen geschaut, sondern meist oberflächlich nur kurz der Vorhang gelupft. Und auf manche Passagen hätte ich wegen des Friede-Freude-Eierkuchen-Feelings sehr gut verzichten können.

Nein, das war nicht wirklich mein Buch, obwohl ich nach dem gelungenen Start äußerst neugierig geworden war. Mit einer Unmenge Personal wurde eine zwar unterhaltsame, mir aber leider zu oberflächliche Geschichte aufgehübscht. Dort, wo ich mir Tiefe gewünscht hätte, kommt zu schnell die nächste Blende.