Rezension (3/5*) zu Der Schattenkönig von Maaza Mengiste

ThomasWien

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19. März 2021
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Wien
Interessantes Thema aber leider mit zu viel Pathos erzählt

Die 1971 in Addis Abeba geborene Maaza Mengiste schildert uns in ihrem neuen Roman Der Schattenkönig, erschienen im dtv Verlag, Eindrücke aus dem wohl grausamsten Krieg, an dem ihr Heimatland beteiligt war. Ein Kolonialkrieg, bei dem das faschistische Italien unter der Herrschaft Mussolinis ein Stück des afrikanischen Kontinents beansprucht, ohne aber mit einer solch gewaltigen Gegenwehr gerechnet zu haben.
Maaza Mengiste schildert uns die Schicksale der jungen einheimischen Hirat, einer Vollwaise, die bei Kidane, dem Rebellenführer und seiner Gattin Aster aufgewachsen ist. Aufgewachsen klingt so, als wäre sie wohlbehütet aufgenommen worden aber das Gegenteil ist der Fall. Sie wurde mehr oder weniger als Sklavin gehalten. Sie musste niedrige Dienste verrichten und viel Leid, bis hin zu Vergewaltigungen, ertragen. Das Äthiopien der damaligen Zeit wurde von Männern und ihren Trieben dominiert. Vergewaltigungen, Zwangshochzeiten, Erniedrigungen bis zu Verstümmelungen waren an der Tagesordnung. Nichts desto trotz, die harte Schule, die Hirat durchlaufen hat, hat sie zu einer irrsinnig starken Persönlichkeit und zu einer heroischen Kämpferin werden lassen.
Auf der anderen Seite steht das Schicksal von Ettori. Ettori ist ein junger Soldat in der italienischen Armee und für die wohl grausamsten Bilder, vor allem Propagandafotos, verantwortlich, die man sich nur vorstellen kann. Obwohl man als Leser selbst die Bilder nur beschrieben bekommt, gehen einem die Bilder der sterbenden Menschen ganz nahe und unter die Haut. Ettori selbst ist Jude, seine Religion wird selbst im fernen Afrika ein Problem für ihn. Lange Zeit hält sein Kommandant Carlo Fucelli seine schützende Hand über ihn, aber als Jude im zweiten Weltkrieg, egal auf wessen Seite man kämpft, hatte man es nicht leicht.
Ich gebe zu ich musste anfangs mit dem Buch kämpfen. Nicht wegen der Geschichte, nicht wegen des dramatischen Inhalts, nein wegen des Schreibstils, der zwar wunderbar melodisch auf mich wirkte, allerdings meiner Meinung nach nicht zu diesem Buch passte. Ich bin zwar hinsichtlich des zweiten Weltkrieges gut gebildet, aber dieser Krieg fern von Europa in Äthiopien war mir beinahe gänzlich neu. Ich hätte mir zu Beginn einfach eher einen sachlichen Erzählton gewünscht, um schneller den geschichtlichen Hintergrund verstehen zu können. Das Buch ist aber in zwei Bücher unterteilt. Wenn man sich die Mühe macht weiterzulesen und man bis zum zweiten Buch gelangt, dann nimmt dieses Buch erst richtig Fahrt auf. Der Schreibstil ändert sich, man taucht noch mehr in die Persönlichkeiten ein, bekommt einen unheimlichen Einblick in einen Krieg über den wahrscheinlich viele nichts wissen.
Teilweise musste ich Lesestopps einlegen, ob der Grausamkeiten die in diesem Buch vorkommen. In Afrika gab es zwar keine Gaskammern, aber andere widerlich unvorstellbare Grausamkeiten.
Ich bin froh, dass ich dieses Buch zu Ende gelesen habe, ich habe einiges Neues gelernt. Den ersten Teil dieses Romans, hätte ich zwar in dieser Art und Weise nicht benötigt, aber der zweite Teil entschädigt für viel. Der Schattenkönig, ein Roman über einen schrecklichen Krieg, bildgewaltig und berührend erzählt, allerdings mit zu viel Pathos.