Rezension Rezension (3/5*) zu Der kalte Traum von Oliver Bottini.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
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Der kalte Traum

Im schönen Städtchen Rottweil des Jahres 2010 beginnt ein Fremder, Fragen nach dem Verbleib von Thomas Cavar zu stellen. Soweit bekannt ist, kam dieser im Jahr 1995 im Jugoslawien-Krieg um und wurde in einem Massengrab verscharrt. In Berlin wird Kommissar Lorenz Adamek von seinem Onkel, dem ehemaligen Politbeamten Dr. Ehringer, gebeten über Cavar Nachforschungen anzustellen. Ehringer, der nach einem schweren Unfall im Rollstuhl sitzt, kann nicht selbst nach Rottweil fahren, über die genauen Hintergründe seiner Bitte lässt er seinen Neffen allerdings im Unklaren.

Mit seinen Ermittlungen taucht Kommissar Adamek in eine fremde Welt. Nach und nach muss er die Puzzleteile zusammen setzen, während der Leser in Rückblenden vom Leben des Thomas Cavar erfährt und die Entwicklung verfolgen kann, die ihn ins ehemalige Jugoslawien führt. Erschreckend wie weit die Auswirkungen dieser Ereignisse in die Gegenwart hereinreichen und immer noch über das Leben einzelner Personen bestimmen. Wie kann es sein, dass Cavar in Deutschland geboren und eigentlich Deutscher, in die politischen und gewalttätigen Umbrüche verwickelt wird. Sind es die Älteren, die selbst nicht mehr kämpfen können und ihre Kinder beeinflussen oder sind es die eigenen Überlegungen?

Warum ziehen Menschen in einen Krieg, der so nah war und doch aus der heutigen Lebenswirklichkeit entrückt scheint. Natürlich regt es zum Nachdenken an, die Politisierung oder auch Radikalisierung der Jungen, was bewegt sie. Gerade bei den aktuellen Entwicklungen, denen man zum Teil fassungslos gegenüber steht, könnte sich ein besseres Verständnis bilden. Doch mit zwar hervorragend recherchierten aber leider allzu vielen Fakten, kann sich der Leser überfordert fühlen und die Verbindung zu der Handlung und den Personen verlieren oder nicht erst aufbauen. So beginnt der Roman wie eine Reportage, die für sehr an diesem Krieg Interessierte wahrscheinlich ausgesprochen spannend ist, anderen jedoch einiges abverlangt, um bei der Stange zu bleiben. Erst wenn die eigentlichen Begebenheiten in der Gegenwart in den Vordergrund treten, ist auch der etwas eingeschüchterte normal wissende und normal interessierte Leser gefesselt. Um für das Buch wahrhafte Begeisterung zu empfinden zu können, sollte ein Leser möglicherweise eher berichtenden Büchern zugeneigt sein. Wer einen straighten Thriller erwartet, ist vielleicht etwas enttäuscht.


 
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