Rezension Rezension (3/5*) zu Der goldene Handschuh von Heinz Strunk.

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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München
Buchinformationen und Rezensionen zu Der goldene Handschuh von Heinz Strunk
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Eher enttäuschend


Spektakuläre Mordfälle, insbesondere die Taten von Serienmördern, haben als Buch oder Film gute Chancen Interesse beim breiten Publikum zu erwecken. in der Literatur gibt es zahlreiche Beispiele dafür. Eines der bekannteren ist Truman Capotes „Kaltblütig“. Capote erzählt darin die Geschichte eines realen Verbrechens. Im November 1959 wird in Holcomb in Texas eine vierköpfige Farmerfamilie brutal ermordet. Die Täter, zwei Zuchthäusler, sind schnell ermittelt und werden zum Tode verurteilt. Capote recherchiert jahrelang, trifft die Täter, gewinnt ihr Vertrauen und begleitet sie bis zum Galgen.

Einen Tatsachenroman nach dem Muster des bekannten amerikanischen Kollegen hatte vermutlich auch Heinz Strunk mit „Der goldene Handschuh“ im Sinn. Zumindest verweist er im Anhang explizit auf Capote. Strunk erzählt die Geschichte des Hamburger Serienmörders Fritz Honka, der in der ersten Hälfte der 1970er Jahre vier Frauen in seiner Wohnung tötet und Leichenteile in einer Abstellkammer aufbewahrt. Gegen den Verwesungsgeruch besorgt er Raumspray und Duftsteine. Angesprochen auf den Gestank schimpft er auf die Griechen im Haus, die von früh bis spät irgendwelche absonderlichen Gerichte zubereiten würden.

Fritz Honka ist im Grunde ein armer Tropf. Heim- und kriegsgeschädigt. Er wird in der Lehre gedemütigt und gefoltert, versucht sich als Jugendlicher das Leben zu nehmen. Bei einem schweren Unfall wird sein Gesicht entstellt. Eine Normalität, nicht mal die allerbescheidenste, will sich in diesem Leben nicht einstellen. Honka ist nicht nach unten abgerutscht. Er war immer ganz unten und ist dort geblieben.

In Hamburg wird die Kiezkneipe „Der goldene Handschuh“ schnell zu seinem Lebensmittelpunkt. Um Öffnungszeiten muss sich niemand kümmern. Die Kaschemme hat immer geöffnet. Rund um die Uhr. 365 Tage im Jahr. Hier treffen sich die Kaputten, die Gescheiterten, die Traumatisierten aller Gesellschaftsschichten, verbunden durch Tristesse und Dauersuff. Einmal, so das Gerücht, soll sogar ein Toter zwei Tage auf seinem Hocker im „Handschuh" ausgeharrt haben, bevor jemand das Ableben bemerkte. Vermutlich haben dann alle gelacht. Strunk schildert eine Welt, in der es keine Normen, keine Werte und kein Mitgefühl mehr gibt. Der Alkohol hat all das in Trümmer gelegt. Die Bewohner dieser Welt irren durch ihr Leben wie in einer Postapokalypse, in der jede Ordnung zusammengebrochen ist und es nur um Überleben von Stunde zu Stunde geht. Dabei nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund. Die Sprache ist teilweise drastisch.

Die verschiedenen Erzählstränge, etwa über die Mitglieder eine Hamburger Reedersfamilie, die vielen Handlungssprünge trüben die Lesefreude aber ein, ohne dass sie die Geschichte irgendwie erhellen würden. Stellenweise gewinnt man als Leser den Eindruck der Autor ringe mit sich, ob er jetzt einen Roman über die Kiezkneipe „Der Goldene Handschuh“ schreiben will, oder einen über den Serienmörder Fritz Honka, mit dem das Werk ja beworben wird. Um die Morde geht es erst im letzten Drittel, auf zwei Dutzend Seiten schockierend beschrieben und abgehandelt. Dann endet das Buch relativ abrupt. Wie Honka letztlich überführt wird, nämlich durch einen Wohnungsbrand, bei dem Feuerwehrmänner Leichenteile in der Abstellkammer entdecken, erfährt der Leser in fünf Seiten Postskriptum. Das kann man so machen, spannend ist es nicht. Die Geschichte des schlimmsten Hamburger Serienmörders habe ich mir ein wenig atmosphärischer und aufregender vorgestellt. Schade.


von: Malcolm Gladwell
von: Patrick Woodhead
von: Daniel Suarez
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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"Der goldene Handschuh " gehört zu den Büchern, die ich kurz nach Erscheinen angelesen und dann weggelegt habe. Bei einem Buch dieser Stärke waren das zwischen 30 - 50 Seiten. Mich hatte es nicht gepackt.
Wie ich nun an deiner Rezension erkennen kann, @Helmut Pöll, habe ich damit Lesezeit (und damit Lebenszeit :p) gewonnen. Alles richtig gemacht...
 
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Reaktionen: Helmut Pöll

Xirxe

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19. Februar 2017
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So unterschiedlich sind die Geschmäcker ;)
@Helmut Pöll Vielleicht hättest Du nicht mit Krimierwartungen herangehen sollen. Als Krimi würde ich es auch nie bezeichnen, für mich war es eine Art Biographie, wobei die Reederfamilie nur herangezogen wurde um deutlich zu machen, dass man auch aus diesem Milieu auf die Stufe von Fritz Honka rutschen kann.
 

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