Rezension (3/5*) zu Der falsche Gruß: Roman von Maxim Biller

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Die hohe Kunst der Unverständlichkeit

Man nehme einen aufstrebenden jungen Schriftsteller, Erck Dessauer aus Leipzig, der in Berlin der Nullerjahre bei einem renommierten Verlag die Karriereleiter hinaufwill. Paranoid wie er ist, sieht er aber an jeder Ecke böse Gestalten, die ihm seinen rechtmäßigen Erfolg streitig machen wollen. Der etablierte Hans Ulrich Barsilay ist dabei ein besonderes Feindbild. Erck bewunderte ihn zunächst und ließ sich in seinem Eifer die Fertigstellung seiner Magisterarbeit ausreden, doch nun will er ihm scheinbar seinen Buchvertrag streitig machen. Aber er hat recherchiert und durchschaut ihn. Er kann Barsilay Ungereimtheiten in dessen Autobiografie nachweisen. Doch bevor Erck überhaupt einen Schlag gegen die vermeintliche Opferrolle seines Gegenübers führen kann, lässt er sich zu einem fahrigen Hitlergruß hinreißen, vor Zeugen.

Erck flieht aus dieser misslichen Lage und macht sich fortan Gedanken, welche Konsequenzen sein Tun haben könnte und vor allem, welch hervorragende Waffe er Barsilay damit in die Hand gegeben hat.

Das ist der titelgebende Plot, um den sich Billers rauschendes Fest des Namedroppings im Literaturbetrieb, der Weltkriegshypothesen im Schnelldurchgang und ganz nebenbei einige Hinweise auf Billers verbotenen Esra-Roman ein Stelldichein gibt. Biller lässt ausschließlich Erck zu Wort und Gedanken kommen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass Erck sein Alter Ego ist, doch auch Barsilay scheint ein Stück Biller-Biografie zu durchleben.

Das Bild auf dem Umschlag (eine Hand hält einer kleinere gestreckte Hand) ist der perfekte Unterstrich des Titels, hat mich aber doch auch an eine Matroschka-Puppe erinnert. Es lässt mich zu dem Schluss kommen, dass in dieser 120 Seiten-Geschichte mindestens eine zweite, wenn nicht sogar eine dritte und vierte verborgen ist. Dieses Versteckspiel beherrscht Herr Biller hervorragend, aber den vollen Genuss dieses Büchleins werden wohl nur Insider und Verschwörungstheoretiker erleben können. Mit großem Geschick zeichnet Biller ein Bild von Bedeutung, lässt aber die Fakten zum Verständnis im Dunkeln. Man kann nur erahnen was die Aussage des Romans ist, soll aber wohl nicht im Vordergrund stehen, denn selbst seinen Figuren gönnt er keine Einsicht.

Tja, Herr Biller, wenn man an vielem was zu kritisieren hat, lässt man sich selbst wohl ungern in die Karten schauen. Ein anstrengender, für mich ergebnisloser Lesegenuss.

 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
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Ich habe das Buch nicht gelesen, nur eure Fazits.
Hervorragende Rezension, liebe Ems, und bestimmt ein dickes Stück Arbeit, so klar herauszufiltern, worum es geht und wo die Schwächen liegen. Dich hat der Mann zumindest partiell erreicht, scheint mir.
 
  • Haha
Reaktionen: Emswashed