Rezension (3/5*) zu Das Mädchen, das man ruft (Quartbuch) von Tanguy Viel

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
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Wien
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Stilistisch anspruchsvoll, schal im Abgang

Es ist eine kleine Hafenstadt in der Bretagne. Der abgetakelte Boxer Max Le Corre ist nach dem Ende seiner Karriere Chauffeur des Bürgermeisters. Für seine Tochter Laura bittet Max um einen Gefallen. Der Bürgermeister besorgt der jungen Frau Wohnung und Arbeit, aber dies nicht ohne Hintergedanken.

Der französische Autor Tanguy Viel reitet mit seinem Roman „Das Mädchen, das man ruft“ auf der metoo Welle. Das Buch ist nicht sehr lange, die Sätze, die der Autor bildet, schon. Verschachtelt, bildhaft, nur so von Metaphern strotzend führt ein Erzähler durch diese Geschichte eines sexuellen Abhängigkeitsverhältnisses. Eingeflochten in die Erzählung folgen wir einer Aussage, die Laura vor der Polizei macht.

Vieles in dem Buch erinnert an einen Film, eine Art Kameraführung zeigt detailreich die Schauplätze, fast schon in Slow Motion. Die auftretenden Personen spielen gekonnt ihre Rollen: der Mächtige, der Windige, die Schöne und der Tor.

Laura wird das Mädchen, das man(n) ruft. Als Jugendliche hat sie Fotos in Unterwäsche von sich machen lassen, hat damit einen gewissen ruf. Hat rote Lippen und kurze Röcke. Sie setzt sich nicht zur Wehr. Lässt sich steuern. Hätte sie sich weigern können?

„Wissen Sie, warum das zweite Mal schlimmer ist als das erste? Ganz einfach, in diesem Mal, im zweiten sind alle weiteren enthalten.“

Stilistisch anspruchsvoll ist diese kleine alltägliche Geschichte des Missbrauchs über die, die es sich richten können und die, über die gerichtet wird. Irgendwie desillusionierend mit schalem Nachgeschmack.