Rezension (3/5*) zu Cyril Avery: Roman von John Boyne

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Gelöschtes Mitglied 6416

Gast
Unerfüllte Erwartungen

Inhaltliche Zusammenfassung
Als uneheliches Kind in Dublin 1945 unter dramatischen Umständen geboren, und zur Adoption freigegeben, wächst Cyril in einer höchst merkwürdigen Familie auf. Materiell fehlt es ihm zwar an nichts, doch die Einsamkeit seiner Kindheit und Jugend zieht sich wie ein roter Faden bis weit in sein Erwachsenenalter. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich Cyril zu Männern hingezogen fühlt, im katholischen Irland ein schweres Vergehen. Als junger Mann leidet Cyril unter den flüchtigen sexuellen Abenteuern, die ihm weder Liebe noch Geborgenheit schenken, und unter der ständigen Angst vor Entdeckung.
Die unüberlegt geschlossene Ehe mit Alice, der Schwester seines Jugendfreundes Julian, endet noch ehe sie richtig begonnen hat. Die Scham über sein Verhalten zwingt Cyril, Irland zu verlassen. Erst im liberalen Amsterdam kann er seine sexuelle Neigung frei ausleben, und findet in Bastiaan seine große Liebe. Doch Cyril ist noch längst nicht am Ende seines schwierigen Lebensweges angelangt, das Schicksal hält noch so manche Überraschung für ihn bereit.

Meine Gedanken und Eindrücke
In der Figur des Cyril Avery hat John Boyne einen Protagonisten geschaffen, anhand dessen Biografie er viele gesellschaftlich relevante Themen berührt.
Im ersten Kapitel sieht sich der Leser auf drastische Art und Weise mit den heuchlerischen Moralvorstellungen der katholischen irischen Gesellschaft der 1940er Jahre konfrontiert. Gewalt und Terroranschläge finden ebenfalls immer wieder Eingang in die Geschichte, zentrale Themen des Romans sind jedoch Homosexualität und Aids, die Geisel der 1980er Jahre.
John Boynes Erzählkunst hat mich rasch in die Geschichte hineingezogen, obwohl mich die Handlung bereits ab dem ersten Kapitel nicht mehr sonderlich zu fesseln vermochte. Die Titelfigur ist mir erst mit fortschreitendem Alter sympathischer geworden, und Cyrils Mutter Catherine wurde meines Erachtens nach viel zu wenig Platz eingeräumt. Die übrigen Protagonisten fand ich – bis auf wenige Ausnahmen – großteils absurd in ihrer charakterlichen Darstellung und war von deren irrealer Gesprächskultur mehr als einmal peinlich berührt.
Für meinen Geschmack hat das Thema Homosexualität allzu viel Raum eingenommen, während andere existentielle Probleme nur am Rande abgehandelt wurden. John Boynes Versuche, schwierigen oder ernsthaften Situationen eine humoristische Note zu verleihen, fand ich nicht immer angebracht.
Stilistisch gesehen hat mir der Roman zwar gut gefallen, die seltsame Handlung konnte mich aber nur mäßig begeistern.