Rezension Rezension (3/5*) zu Cloris: Roman von Rye Curtis.

sursulapitschi

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18. September 2019
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Zu viel gewollt

Dieses Buch ist speziell. Einerseits finde ich sehr viel fragwürdig, andererseits liest es sich schnell und ist tatsächlich unterhaltsam.
Hier erzählt eine alte Dame im Plauderton von ihrem Flugzeugabsturz, das ist schon mal das Erste, was befremdet. Man meint fast, sie gibt es in ihrem Bridgeclub zum besten und kann im Nachhinein die Situation mit Galgenhumor betrachten, auch wenn der Tod ihres Gemahls natürlich bedauerlich ist.
Gleichzeitig macht sich ein Retterteam auf die Suche, das an Skurrilität nicht zu überbieten ist. Während die Rangerin etwa drei Mal pro Seite einen ordentlichen Hieb Merlot nimmt und alles „gottverdammt“ findet, rollt der Leiter der Luftrettung zwanghaft Kreide in den Händen, ruft „Koojee“ und weiß selbst nicht, was das heißen soll. Der Hubschrauberpilot singt ständig Kirchenlieder und der Assistent stickt gerne, wobei er ein mittelalterliches Häubchen trägt.
Natürlich hat das alles seinen Grund und jeder eine eigene Geschichte, allerdings sind hier die Protagonisten so übertrieben originell angelegt, dass sie vor lauter Marotten zu Witzfiguren werden.

Auch der Erzählstil setzt auf ungewöhnliche bildhafte Vergleiche und schießt dabei über das Ziel hinaus.
„… und dann saß ich da, die Arme um die Schultern geschlungen, dass es aussah wie die Scharniere am Schrank unter meinem Spülbecken.“
„Sein dünner schwarzer Schatten tauchte auf wie ein Insekt aus einem Riss im Fußboden.“
„Jetzt wandte er ihr den Kopf zu und zitterte wie eine klapprige Theaterkulisse an einem Flaschenzug… sagte er und hustete gegen die dicken Enden seiner Finger.“
Oft werden Anekdoten eingeworfen, die am Rande des guten Geschmacks anzusiedeln sind, nicht zur Handlung beitragen und offensichtlich nur provozieren sollen.

„Erst kürzlich habe ich ein wundervolles Kunstwerk erstanden, von einem Traktormechaniker in Washburn, Arkansas. Jorge Moosley. Er benutzt seine Mutter als Leinwand. Die liegt im Koma. Bemalt sie von Kopf bis Fuß mit Landschaften und fotografiert sie dann. Ich habe jetzt White Water Vapids von ihm bei uns zu Hause in Missoula hängen. Es bricht einem das Herz.“

Mit diesem Buch wollte der Autor wohl neue Wege beschreiten. Es erzählt von einer Katastrophe und soll gleichzeitig die Abgründe menschlicher Existenz ausloten, von Grenzerfahrungen erzählen, von Aussteigern, von Liebe in allen Erscheinungsformen, vom Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Nur ist so etwas ein hehres Unterfangen, das Weisheit und Fingerspitzengefühl erfordert. Hier wird es eher mit der Brechstange angegangen und durch sensationsheischende, slapstickhafte Elemente unterwandert. Natürlich hat das Unterhaltungswert, nur bleibt die Tragik, die das Thema bietet, komplett auf der Strecke.
Ich habe hier hoch Dramatisches erwartet und eher absurdes Theater bekommen. Nichts gegen absurdes Theater…


 
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