Rezension Rezension (3/5*) zu Blutsbruderschaft: Kriminalroman von Ulrich Stoll.

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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So wirft der Tod um uns alle sein Netz.

Berlin im Herbst 1989, die Wende wirft ihre Schatten voraus. Während die DDR-Regierung ihr Jubiläum feiert, das von heftigen Protesten begleitet wird, ereignet sich im Westteil der Stadt ein grausamer Mord. Der eher erfolglose Fernsehjournalist Lucas Hermes wittert seine große Chance und macht sich, parallel zu den polizeilichen Ermittlungen, daran, im Fall zu recherchieren. Da wird auf die Berliner Synagoge ein Bombenanschlag verübt, und Hermes‘ Freundin Anna gerät ins Fadenkreuz der Fahndung. Nur allmählich wird den Journalisten klar, in welcher Gefahr sie schweben.
Die Story ist von Anfang an spannend. In diesem Buch werden zwei an sich getrennte Geschichten erzählt, was mir persönlich Schwierigkeiten bereitet, das Buch einem bestimmtem Genre zuzuordnen: Handelt es sich um einen Kriminalroman oder einen Polit-Thriller? Zusammengehalten werden diese Erzählstränge durch das identische Ermittlerteam. Beide Handlungsverläufe sind spannungsgeladen, gut erzählt und flüssig zu lesen. Das Hinundherspringen zwischen ihnen und die häufigen Perspektivwechsel verlangen zwar einiges an Konzentration, sollten aber dank der übersichtlichen Gliederung des Buches und des Textes beim Lesen keine Schwierigkeiten bereiten.
Sehr interessant sind die Morde rund um die Anhänger der Esoterikszene und den verstorbenen Schriftsteller Gustav Meyrink (1868 – 1932). Auch wenn ich selber mit Esoterik sehr wenig anfangen kann, habe ich hier Impulse erhalten, auch einmal ein Werk des oben erwähnten Autors zu lesen. Zudem zeugt das Buch davon, dass Ulrich Stoll sich mit Werk und Leben desselben sehr gut auskennt.
Die „Zeitreise“ in das Berlin der Wendezeit zeugt ebenfalls von einem großen Wissen sowie der ausführlichen Recherche des Autors und weckt in jedem/jeder, der/die diese Zeit bewusst miterlebt hat, zahlreiche Erinnerungen.
Ulrich Stoll führt eine recht hohe Zahl an Charakteren an, wobei alle detailliert und realitätsnah gezeichnet sind. Teilweise handelt es sich hier um sehr skurrile Gestalten, was mir persönlich sehr gefällt. Meiner Meinung nach würde allerdings eine Personenliste zu Beginn das Lesen doch erleichtern.
Lucas ist ein richtiger Antiheld, der es nicht schafft, etwas aus seinem Leben zu machen, die Ermittlungen aber dennoch voranzutreiben versteht. Sein Handeln ist oftmals moralisch eher bedenklich, was bei mir nicht gerade für Sympathiepunkte sorgte. Das Ermittlerteam Berger/Klamm indes ist mir sehr sympathisch.
Insgesamt handelt es sich bei Ulrich Stolls „Blutsbruderschaft“ um einen gut lesbaren, spannenden Regionalkrimi, dessen Ermittlungen weit über die Grenzen Berlins hinausführen. Was mich jedoch beim Lesen schon arg gestört hat, war die Darstellung zweier an sich sehr wichtiger, aber wenig zusammenhängender Geschichten in einem Werk. Hier wäre meiner Meinung nach ein Weniger mehr gewesen, gingen doch bei mir die politischen und zeitgeschichtlichen Ereignisse unter. Die Konzentration auf Krimi oder Polit-Thriller hätte mir persönlich besser gefallen.


 

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